Via Helvetia

Vom Anfang zum Ende der Welt bin ich in den Jahren 2011 bis 2013 für einen Tag in Österreich mit Start auf dem Pfänder und dann in der Schweiz über Einsiedeln, Iseltwald, Freiburg mit dem Endziel Genf auf 21 Etappen unterwegs .

In Einsiedeln breche ich ab wegen eines Schlechtwettereinbruchs, in Iseltwald wegen unerträglicher Schmerzen im linken Bein. Da die Ursache nicht klar ist, erledige den Rest von jeweils einem zentralen Hotel mit schneller Hilfe zur Sicherheit.

Via Gebenensis

Nach einer Pause in 2014 wegen Problemen im linken Knöchel bedingt durch zu enge Wanderstiefel starte ich wieder von Genf Anfang Mai 2015 auf die Via Gebenensis Richtung Ende der Welt. Nach 17 Etappen auf zwei Jahre bzw Jahresurlaube verteilt erreiche ich Le-Puy-en-Valley im Juli 2016.


Von Genf bis Beaumont

(Genf/Beaumont, Sonntag, 03.05.2015)

Der Start zum Jakobsweg 2015 auf der Via Gebennensis soll in Genf an der Fontaine d’Eau erfolgen. Die Zufahrt dorthin ist jedoch gesperrt. Macht auch nichts! Dann eben von einem anderem Punkt in der Nähe!

Leichter geschrieben als getan! Es ist nicht einfach, selbst an einem Sonntagmorgen in der Genfer City einen Halteplatz für einen Fiat Ducati Kastenwagen mit 6350 mm Länge, 2060 mm Breite und 2580 mm Höhe zu finden. Nach einer längeren Irrfahrt, die immer an irgendeiner Straßensperre wegen einer Sportveranstaltung endet, bietet eine gelb markierte Fläche vor dem Musee d’Art eine verbotene Gelegenheit zum Halt. Jetzt muss es schnell gehen, um die Schweizer Ordnungskräfte vom zwanghaften Erfüllen ihrer Pflicht abzuhalten! Schnell die Wanderklamotten angezogen, den Rucksack gepackt, die Route nach Beaumont im GPS selektiert, den Regenschirm unter den Arm, und ab! Eine sehr spontane Aktion nach einer wirklich langen Vorbereitung!

Aber da ist ja noch das bewohnbare Auto! Meine liebe Frau hat sich nach langwierigen Verhandlungen bereit erklärt, mein Gite d’Etape Mobile zu chauffieren. Leider kennt sie nun nicht einmal den Namen des ersten Zielortes, geschweige den Weg dorthin! Das gemietete Gefährt hat natürlich ein nagelneues Navi mit selbsterklärender Benutzerführung, die Ziele besonders einfach wählen lässt. Aber nicht so wie im gewohnten Alten! So braucht es schon ein paar Versuche, um B e a u m o n t einzugeben! Dafür werden wir dann mit einer Liste von zwanzig Beaumonts belohnt. Und wer weiß schon, dass unser Beaumont in Haute-Savoie ist?

Meine Begleiterin ist sich nun absolut sicher, das sie niemals am richtigen Ziel ankommen wird. Das Vertrauen in ihr Handy ist überraschender Weise aber ungebrochen. Der Hinweis, alles geht so wie in Deutschland, lässt uns dann doch noch auf getrennten Wegen zu unserem gemeinsamen Ziel starten. „Wenn ich nicht dorthin finde, werde sie dir meinen Standort mitteilen, an dem Du mich abholen kannst.“

Ich verlasse Genf nach Süden über Gaurage. Nach dem Überqueren der Grenze soll es auf französischem Hoheitsgebiet über Neydens nach Beaumont hochgehen, wo am Friedhof übernachtet werden soll. Denn an Friedhöfen sind immer ruhige Parkplätze und meistens frisches Wasser.

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Am Stadtrand fängt es kräftig an zu regnen! Große Tropfen! Trotzdem ist es angenehm warm! Wieder erweist sich der Regenschirm als unverzichtbare Ausrüstung. Das verhasste Atmungs-inaktive Regencape brauche ich nicht.

Dass ich in Frankreich bin, merke ich erst als ein Wegweiser hundert Meter auf die Grenze zurückzeigt. Sie wird zur Zeit durch ein paar alte Matratzen und leere Plastikflaschen markiert. Die Nutzung als Freilufttoilette ist unverkennbar. Für den Abschluss meiner Schweizdurchquerung ein denkbar unwürdiges Ambiente!

Bis Neydens suche ich angestrengt, was nun den Unterschied zwischen der Schweiz und Frankreich ausmacht: eigentlich nur die Nummerschilder der Autos. Dort bin ich dann völlig überrascht, dass der Jakobsweg mich steil den Berg hochjagen will. Zwar ist gar nichts anders zu erwarten, doch hätte ich mir einen bequemeren Abschluss des ersten Tages gewünscht.

Die erste Jakobsfigur aus Holz am Ortsausgang von Neydens läutet dann die Bergetappe ein. Steilst möglich geht es jetzt bergauf! Wer pilgert, muss auch leiden! Büßen?

beaumontholzfigur

Am Akkumulationspunkt nochmals ein mehr feuchter als fröhlicher Blick zurück zum mondänen Genfer See!

Blick nach Genf

Dann heißt es eintauchen in die rustikale Welt von Haute-Savoie. Die Regenfälle machen aus den Wegen tiefe Gräben, in denen ich bis über die Knöchel versinke. Freilich führen diese nicht nur reines Bergwasser, sondern auch darin gelöste Kuhfladen.

Schlammweg

Die zweite Jakobsfigur aus Stein mit abgeschlagener Hand vor der Eglise kündigt vom Ende der ersten Etappe in Beaumont. Die Kirche, die Porta Caeli wie sie in Fribourg heißt, ist freilich mal wieder verschlossen. Wie soll ich da in den Himmel, wenn die Türen dorthin verschlossen sind? Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Freilich mit der Einschränkung: „Es kommt nicht der Herr der Herrlichkeit!“

Beaumont Jakob aus Stein

Mein mobiler Himmel ist inzwischen nicht am Friedhof sondern neben der Gite d’Etape Fromagerie abgestellt. Die Schiebetür steht weit offen und herauslacht ein Engel, der nicht nur den rechten Weg gefunden hat, sondern nun auch meinen Rucksack abnimmt, ein Handtuch und trockenen Trainingsanzug reicht. Frischer Kaffee und Nussstollen der Bäckerei Dürr aus Hemau steht bei geschlossenen französischen Boulangeries bereit.

Entspannt harren wir der Dinge, die sich vor der Unterkunft gegenüber abspielen. Da kommt der Pilger, der überlegt, ob er nun hineingehen soll oder nicht. Eigentlich ist aber klar, dass er gar keine Wahl hat. Da kommen acht Outdoor-gestylte Ü30 Altmädchen (man spricht deutsch), die offensichtlich die ehemalige Käserei übernommen haben und für ein langes Wochenende das Joch des anderen Geschlechts abstreifen.

Spätestens beim ersten Gekreische bin ich überzeugt, dass meine Übernachtungsmöglichkeit zumindest für heute die bessere Alternative ist.

Von Nyon bis Genf

(Nyon/Genf, Freitag, 07.06.2013 )

Von Nyon nach Genf geht es ähnlich wie von Allaman nach Nyon zunächst wieder durch Anbaugebeite von Wein. Den See sehe ich auf dieser Tour nur aus der Ferne.

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Je näher Genf desto häufiger jedoch die spätfeudalistischen Landsitze! Nicht zu verschweigen: es gibt stellenweise auch den sozialen Wohnungsbau!

Genfer See, Grundstück

Dann tritt man um eine Ecke. Und völlig unvorbereitet hat man das Wahrzeichen des Ziels vor Augen: die Fontäne von Genf.

Genf, Erster Blick

Von Romont nach Moudon

(Romont/Moudon, Montag, 03.06.2013 )

Da der große Regen nun vorbei ist und die Vorhersage für die nächsten Tage gutes Wetter verheißt, bringt mich meine liebe Frau in einer sechsstündigen Autofahrt aus dem Herzen Bayerns nach Romont. Um Punkt 15:00 Uhr mache ich von der Stadt auf dem Berg der alten Stadtmauer entlang mit weiten Blick in das Tal der Glane auf den Weg nach Moudon. In ein paar Tagen will ich die Durchquerung der Schweiz in Genf abgeschlossen haben.

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Die Landschaft hier genutzt für Ackerbau und Viehzucht ähnelt sehr der meiner oberpfälzerischen Heimat. Mag sein, dass deswegen so richtig euphorische Aufbruchstimmung noch nicht aufkommen will.

Erst als mich eine auf den steilen Feldwegen aus welchen Grund auch immer umherirrende Autofahrerin auf französisch um Auskunft bittet, realisiere ich, dass sich nun mein Aufenthalt ein paar hundert Kilometer weiter südwestlich befindet. Die einzige Auskunft, die ich geben kann, ist freilich nur: „Ich spreche nicht französisch!“ Das kann ja noch heiter werden!

Der Ärger darüber beschäftigt mich bis Moudon. Der Anblick der kanalisierten Brogne mit dem intensiven Verkehrslärm vom gegenüberliegenden Ufer ist nicht dazu geeignet, ihn zu unterbinden. Warum habe ich nur Latein gewählt?

Moudon verdient einen längeren Rundgang, den ich morgen mit frischen Kräften nachholen will.