Von Saint-Jean nach Roncesvalles

(Saint-Jean-Pied-de-Port/Roncesvalles, Sonntag, 06.09.2020)

Mit dem Aufstehen klopfen ein paar Regentropfen auf das Dach unserer lokal und sozial distanzierten Gite d’Etappe in Saint Jean. Kein Grund zur Aufregung, nur eine kurze Episode!

Noch bei Dunkelheit geht es los auf der Route Napoleon nach Roncesvalles zur ersten und schwersten Etappe auf dem Camino Frances. Die Straßen sind nicht einmal feucht. Die Temperatur ist frisch, aber angenehm. Ideale Bedingungen!

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Feierliche Stille eines Sonntagsmorgen, die nur das ferne Krähen von gallischen Hähnen überlagert .

Sanfte Steigungen wechseln immer wieder mit kurzen Gefällen. Muskulatur und Kreislauf können sich langsam an die zu erwartenden Belastungen in den folgenden Rampen gewöhnen.

Nach gut einer Stunde steht die erste mit dem Aufstieg nach Huntto in der einsetzenden Morgendämmerung an. Ich brauche diesen nicht allein zu machen. Die Kühe eines Bauernhofes werden gerade aus dem Stall gelassen und spazieren seelenruhig mit mir in der Mitte nach oben. Freilich gilt für sie schon jetzt, das eine oder andere Kräuterchen zielbewusst aufzunehmen bevor sie auf eine Alm abzweigen. Am Abend werden sie von selbst wieder zurückkehren, um sich von der dann drückenden Milchlast befreien zu lassen.

Ab dem Refuge Orisson wird es feuchter, aber es regnet nicht. Überhaupt wird es nicht regen. Es wird nur immer feuchter.

Starke Winde treiben Nebelschwaden über die Bergkämme. Auf der Höhe des Abzweigs nach Arnèguy bin ich selbst teil einer Nebelschwabe. Aus ihr komme ich bis zum Abstieg kurz vor Roncesvalles nicht mehr heraus. Sichtweite maximal fünfzig Meter! Definitiv keine Panoramatour!

Trotzdem laufe ich immer noch in kurzer Hose und T-Shirt. Allein mein Strohhut schützt mein Haupt und gibt tropfenweise die gesammelte Feuchte von sich.

Um nicht auszukühlen, mache ich zunächst keine Pause. Damit entfallen auch die Nahrungsaufnahme und die Erholungsphasen für die Muskulatur. Trinken scheint heute nicht notwendig.

Später überlege ich mir das schon noch anders. Trotzdem will beim steilen Abstieg nach Roncesvalles auf den letzten zwei Kilometern mein rechter Gesäßmuskel nicht mehr, später beschließen die Wadenmuskeln, es ihm gleich zu tun.

Die letzten Meter zum geschichtsträchtigen Roncesvalles werden so zu meiner persönlichen Schlacht. Am Ende siegreich, da angekommen! Trotzdem werde ich nicht in die Sagenwelt eingehen. Da muß man schon verlieren wie der alte Ritter Roland!

Rolanddenkmal in Roncevalles