Via Podiensis

Im Rahmen meiner Wanderung vom Anfang der Welt bis zum Ende der Welt startete ich in Le-Puy-en-Valley mitte Juni 2017. Nach 32 Etappen auf drei Jahre bzw Jahresurlaube verteilt erreichte ich im Juli 2019 Saint-Jean-Pied-de-Port.

Alle Etappen wurden von Anfang bis Ende mit meinem Garmin aufgezeichnet und auf gpsies.com veröffentlicht. Aufgrund einer technischen Panne fehlt leider Track 63.

Im Herbst 2020 soll es nun ohne Unterbrechung bis Santiago-de-Capostella und Finis-Terre weitergehen.

Von Larribar bis Saint Jean Pied de Port

(Larribar/Saint Jean Pied de Port, Freitag, 12.07.2019)

Heute ist die Abschlußetappe 2019 angesagt. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht!

Ich will aber nicht ganz bis Saint Jean Pied de Port, sondern nur bis Saint Jean le Vieux. Die finalen Kilometer mit triumphalen Einzug am Zielort will ich mit meinem Scout, Coach, Herbergsmutter und Ehefrau morgen gemeinsam erleben.

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Unserem Übernachtungsplatz gegenüber auf der andereren Talseite zieht sich eine hohe Hügelkette hin. Ich wundere mich schon die ganze Zeit, warum die Jakobsroute nicht dort hinaufführt. Wie kann man den Pilgern nur die tolle Aussicht und die direkte Begegnung mit den weidenden Milchkühen vorenthalten?

So geht es los den Wegweisern folgend nach Larribar. Nach einiger Zeit zeigen sie in die Richtung, aus der ich gekommen bin. So etwas wie ein Dorf habe ich allerdings nicht wahrgenommen. Da waren nur vereinzelte Gehöfte mit einer eigenen Kirche. Da war ein großes Feuerwehrhaus mit einem großen Parkplatz, aber kaum einmal zwei Häuser nebeneinander.

Ich bin aber auf dem richtigen Weg, da ich im Talgrund angekommen eine vierbogige Brücke überquere wie im Reiseführer angekündigt und auch schon auf Wegweiser zum Stein von Gibraltar treffe.

Ich komme auch nach einem Anstieg in ein Dorf. Nur führen die nun überdimensionalen Wegweiser zum Stein von Gibraltar wieder zurück. Da war zwar ein feuchter bemooster Steinblock. Das wird doch nicht das Weltkulturerbe am Zusammenschluß von drei Jakobswegen gewesen sein?

Thema abgehackt!

Dafür tut sich jetzt der steinige Prozessionsweg zur Chapelle de Soyaraza auf, der schnurstracks auf eine karge unbewaldete Rampe hochführt. Da oben werde ich auch die lang erwartete einmalige Aussicht haben. Ein wirklich charismatisches Plätzchen zum Innehalten!

Runter geht es über ausgewaschene Wege. Ein Orientierungsläufer kommt mir im Laufschritt bergauf entgegen. Grund genug bis nach Ostabat-Asme es ihm zumindest bergab gleich zutun.

Ostabat-Asme

Mittagspause im Van auf der schattigen Seite der Kirche mit Aufnahme von literweise Apfelschorle und der Vertilgung von einigen Nektarinen.!Abschließend ein kleines Schläfchen!

Nach dem Aufwachen geht es neben und auf der der D933 bis Gamarthe. Wenn der hier produzierte Käse nur halb so gut schmeckt wie es hier übel richt, dann muss er schon ganz außergewöhnlich sein.

Bei Montgelos führt die Route weg von der D933 in die Botanik. Der Schrecken vor neuen Panoramawegen ist bis Saint-Jean-le-Vieux nicht gerechtfertigt.

Kurz vor der Ortschaft muss ich jedoch noch einmal die Schlagzahl erhöhen, um nicht von einer sich nähernden Pfadfindergruppe im Eilmarsch überholt zu werden.

Kein Problem!

In Saint Jean le Vieux belohne ich mich mich zwei Magnum und weiteren kalten Apfelschorle im ersten Supermarkt seit Menschengedenken bevor es dann zum Van hinter der Schatten spendenenden Mauer der örtlichen Turnhalle zur abendlichen Sitzweil geht mit Ausblick auf die vorbeiziehenden Pilgerscharen.

Wir finden genügend Gründe, das Konzert eines baskischen Männerchores in der örtlichen Kirche ausfallen zu lassen. Nach dem Massenauflauf auf dem Parkplatz zu schließen muss dies aber etwas ganz besonderes gewesen sein.

Am Samstagmorgen wollen wir nicht zu früh die letzten paar Kilometer nach Saint Jean Pied de Port, um wirklich den Pilgertrubel dort zu erleben. Trotzdem ist noch nicht zu viel los als wir ankommen. Jede Minute dort wird es jedoch hektischer.

Saint Jean Pied de Port – Eingangstor

In dem Ort dreht sich alles um den Jakobsweg, vom Tourismuszentrum mit dem Ankunfszentrum bis zu den Souvenirshops und der Gastronomie.

Kurz vor Mittag sind wir durch und es wäre jetzt Zeit für den feierlichen Abschlußschmaus. Aber Mittag ist nicht vor Mittag und kein Restaurant bietet jetzt schon Speis und Trank. Nicht mal bei McDonald gibt es jetzt einen BigMac!

Saint Jean Pied de Port -Ausgangstor

So besichtigen wir die Stadtmauer schon jetzt…

… so nehme ich mit Bedauern zur Kenntnis, das nächste Pelotaspiel findet erst am Sonntag um 17:00 statt …

SJPdP-pelotas
Saint Jean Pied de Port – Pelotas

… so finde ich einen Wegweiser nach Santiago de Campostella. Es sind noch 775 km …

Kilometers To Go

Aber es ist immer noch vor Mittag.

Wir gehen zurück nach Sain Jean de Vieux.

Auf dem Rückweg sehen wir alte Bekannte: die Gruppe mit der dominanten Französin und dem Sachsen im Alaskaoutfit, den Schreiner mit den dünnen Füßen, der sich sich vom Pädagogikstudenten getrennt hat.

Bei Ankunft ist es kurz nach Mittag und wir bekommen etwas zu essen.

Dann geht es auch schon ab nach Hause. Bis zum nächsten Jahr an gleicher Stelle!

Von Navarrenx bis Larribar

(Navarrenx/Larribar, Donnerstag, 11.07.2019)

Kaum ist es hell, verlasse ich Navarrenx durch die Festung. Ich genieße die Stille in der noch schlafenden Stadt.

Aroue ist angepeilt. Es werden dann aber doch wieder ein paar Kilometer mehr bis Larribar.

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Eben und auf festem Untergrund geht es unter dem Dach von Eichenwäldern in der angenehmen Morgenkühle dahin. Die Bäume durch Buchen ersetzt könnte ich mich in irgendeinem Wald zuhause befinden.

Nach circa zwei Stunden geht es leicht aufwärts nach Daguerre. Dort ist ein Betrieb, in dem Konserven mit den regionalen Erzeugnissen abgefüllt werden. Für die Jakobspilger ist dort eine Hütte mit kostenlosen Kaffee. Ideal für eine Pause!

Ein paar Konserven werden günstig zum Verkauf angeboten. Ich greife zu einer mit Leberpastete und einem Überraschungspaket mit phantasievollem französischem Namen, aber ohne Ahnung über den Inhalt. Mein Coach wirft mir später verantwortungsloses Handeln vor, da ich Gänseleberpastete von geschundenen Tieren erworben habe.

Bei Charre haben wir dann mal wieder eine Umleitung. Die D23 darf nicht direkt überquert werden. Ohne zunächst ersichtlichen Grund sind einige Meter durch eine Unterführung in Kauf zu nehmen.

Später weisen niedergelegte Blumensträuße auf der anderen Seite auf einen offensichtlich tödlichen Unfall hin. Für die französischen Behörden folgt: „Wanderer weg von den Autos“. Das macht so manche Wegführung plausibel!

Bis kurz vor Aroue geht das Konzept auch auf. Dann heißt es erhöhte Vorsicht auf der D11!

Mein Wanderführer präsentiert die Ortschaft als Verpflegungspunkt mit einer Kirche, in der der heilige Jakob die christliche Wahrheit heldenhaft mit den Schwert verbreitet. Diese nicht zeitgemäße Darstellung wäre schon einen Besuch wert!

Wohl dem der einen Scout hat, der vorher feststellt, das einzige Lebensmittelgeschäft im Ort hat aufgegeben und die Kirche ist geschlossen. Nur um ein paar Meter mehr zu gehen, werde ich nicht in die Ortschaft aufsteigen.

Ein wandernder Schreiner und Pädagogikstudent auf der Suche nach dem wirklichen Leben droht damit fast der Hungertod. Wer weiß, was geschehen wäre, hätte nicht Roswitha all unsere Vorräte an Baguette, Käse, Salami, Tomaten, Gurken, Äpfel wie der heilige Martin mit ihnen geteilt.

Stattdessen biege ich beim Château de Joantho ab und bleibe gleich auf der neuen Route. Seltene Verkehrsereignisse bewirken Überraschungeffekte mit hektischer Betriebsamkeit.

Der Aufstieg selbst wird aber nur ein paar Kilometer nach Westen verschoben. Dafür kommt man dann auf eine eine Hochebene mit Nullverkehr aber erhöhter Sonnenexponiertheit und tollem Blick auf die Pyrenäen.

Für heute bin ich dann auch genug gegangen. Irgendwo auf dem Gemeindegebiet von Larribar-Sorhapuru ist dann Schluß. Ein Ortsmittelpunkt kann nicht gefunden werden!

Der Van parkt an einer Straße bis zum nähstem Morgen. Genau zweimal fährt ein Traktor vorbei.

Von Arthez-de-Béarn bis Navarrenx

(Arthez-de-Béarn/Navarrenx, Mittwoch, 10.07.2019)

Es geht westwärts nach Navarrenx.

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Vom zentralen Parkplatz starte ich in den älteren und schöneren Teil von Arthez.

arthez - auswärts
Arthez – auswärts

Am Ortsausgang kommt mir ein Walker entgegen. Er fragt, ob er mich begleiten kann Wir gehen gemeinsam, wobei wir uns auf Englisch unterhalten. Der tägliche gemeinsame Morgenspaziergang mit einem gerade zufällig vorbeikommenden Pilger scheint wohl das Steckenpferd des Ruheständlers zu sein.

Im Laufe des Gesprächs wird ihm bewusst, heute kann es ein Problem mit der Überquerung der Autobahn und des Flusses nach Maslacq geben. Denn die Brücke wird geteert und wird seines Wissens gesperrt.

Es kommt uns Christine entgegen. Auch eine Walkerin! Mit Stöcken unterwegs! Man kennt sich: Bussi links, Bussi rechts! Ich werde vorgestellt. Fast droht das Ritual auch über mich hereinzubrechen.

Christine zerstreut zumindest meine Bedenken. Ja, für Autos ist die Brücke gesperrt. Fußgänger dürfen rüber. Zumindest war es gestern so!

Wir kommen dann zum Auto meines Begleiters und verabschieden uns.

In Argagnon taucht er plötzlich wieder auf. Inzwischen hat er sich erkundigt: Nein, die Brücke sei heute doch für Fußgänger gesperrt. Die Emissionen beim Teeren sind eine Gefahr für die Gesundheit. Aber die Pilger werden in einem Taxi zur nächsten Brücke gebracht, dort übergesetzt und auf der anderen Seite des Flusses und der Autobahn nach Maslacq zurückgefahren. Selbstverständlich kostenlos! Er wird mich jetzt begleiten und sicherstellen, dass das alles klappt.

Gesagt, getan! Wir erreichen den Brückenkopf. Wirklich ein ätzender Teergeruch! Und in der Tat steht dort schon ein Fahrzeug der Baufirma zur Abfahrt bereit.

Ich werde in das Auto gesetzt! Und noch ehe ich mich richtig bedanken kann, erfolgt die Abfahrt. Ich kenne nicht einmal seinen Namen. Aber er wird mir als Christophorus, der mich übers Wasser gebracht hat, in Erinnerung bleiben.

Maslascq -Transport
Maslacq -Transport

Es geht an der Autobahn entlang fünfzehn Kilometer flussabwaerts. Dann auf der anderen Seite wieder zurück bis zum Pelotafeld in Maslacq. Im Endeffekt habe ich zwei Kilometer gewonnen. Mit Ausnahme der Überfahrt über den Vierwaldstätter See auf einer Fähre die erste Strecke, die ich auf meinem Weg durch Europa nicht zu Fuß gegangen bin!

Maslascq -Pelotafeld
Maslacq -Pelotafeld

Kurz vor Sauvelage mache ich Mittag im Wald auf einem umgefallen Baumstamm ohne zu ahnen, dass es ein paar Meter weiter ein Weingut mit Speis und Trank gibt.

Eine Französin, ein Holländer, ein Österreicher und ein Sachse, mein alter Bekannter mit dem Alaska-Outfit, kommen vorbei. Sie haben es sehr eilig. Aber ein paar Worte lassen zumindest auf die Nationalität schließen.

Im Aufstieg nach Sauvelage schließe ich wieder zu ihnen auf. Sie kehren dort ein. Ich begegne ihnen erst wieder in St.Jean als ich schon wieder auf dem Heimweg bin.

Bis Navarrenx geht es nun ständig auf und ab. Es ist anstrengend. Das Bewusstsein, den Herausforderungen gewachsen zu sein, erfüllt einen aber schon auch mit ein einer großen Zufriedenheit. Bergab fange ich wieder zu joggen an.

Und die unvergesslichen Eindrücke wie in Navarrenx sowieso.

Von Pimbo bis Arthez-de-Béarn

(Pimbo/Arthez-de-Béarn, Dienstag, 09.07.2019)

In der Nacht gibt es mehrere Gewitter mit starkem Regen. Es ist etwas kühler als die Tage zuvor, aber durchaus angenehm.

Das Gebiet hier wird im wesentlichen nach Nordwest entwässert während ich mich nach Südwest bewege. Das lässt auf eine kupierte Etappe mit einigen Taldurchquerungen schließen. Eigentlich will ich nur bis Pomps, dann nur bis Castillion, und am Schluss schaffe ich mit Arthez-de-Béarn meine längste Strecke auf dem Jakobsweg.

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Auf nassen Straßen geht es gleich einmal von Pimbo steil bergab. Der ein oder andere abgebrochene Ast liegt auf der Straße. Der Bach im Tal ist angeschwollen mit lehmigen Wasser. Nach ungefähr einer Stunde bin ich in Arzacq-Araziguet.

Arzacq-Arraziguet
Arzacq-Arraziguet

Ich entledige ich mich einiger Steine in meinen Schuhen. Und weiter geht es!

Mittagspause ist in Louvigny, weil sich hier eine relativ bequeme Gelegenheit zum Sitzen an einer Art Tiertränke bietet. Vielleicht auch deshalb, weil die Umgebung meinen heimatlichen Gefilden ähnelt.

Der erschöpfte Kollege aus Lecture kommt vorbei. Sieht diesmal besser aus! Ob in der Hitze bei fast vierzig Grad oder in der momentanen Kühle bei zwanzig Grad, sein Outfit ist immer gleich! Immer lange Hose! Er ist deutsch, ich bin deutsch. Das wissen wir aber nicht. Deshalb bleibt es bei einem freundlichen Lächeln mit „Beaujour“.

Später hole ich ihn in Fichous-Ríoumayou wieder ein. Beim Auffüllen meiner Wasservorräte im dortigen Friedhof sitzt er rastend auf einer Steinbank am Leichenhaus.

In Larreule gibt es eine Gite d’Etape. Diese ist zwar noch geschlossen, aber man hat Zugang zu einem Getränkeautomat.

Die angebotene Orangensaftlimonade ist jetzt kostenpflichtig und auch teurer als beim Fachwerkhaus. Die guten Erfahrungen lassen aber gleich zwei Dosen des Gemisches in mich hineinstürzen. Die Wirkung ist verblüffend! So muss sich Asterix nach Vereinnahmung des Zaubertrangs von Miraculix gefühlt haben!

Locker geht es voran. Mein Coach kommt mir entgegen. Sie hat das Auto in Uzan abgestellt, um mit mir die letzten Kilometer zu gehen.

Unterwegs entdeckt sie eine in Folie geschweißte Landkarte mit akribischen Notizen über den örtlichen Jakobsweg. Zettel sind angeheftet mit detaillierten Beschreibungen aller Kirchen und den Besonderheiten ihrer Figuren. Das nenne ich Planung! Ein großer Verlust für den Besitzer!

Da irrt auch schon eine offensichtlich suchende Gestalt in der Ferne. Meine Begleiterin winkt mit der Karte. Ein in hundert Meter Entfernung merkbares frohes Lächeln vertreibt die Verzweiflung aus dem Gesicht des Suchenden.

Wahres Glück!

Gemeinsam gehen wir nach Uzan. Dort zweigt er in die Kapelle ab, um im stillen Gebet für das Auffinden der Utensilien zu danken.

Eigentlich habe ich mein Soll für heute abgespult. Aber es ist noch früh und ich fühle mich mich noch fit für ein paar Kilometer. Castillion soll nun das Ziel sein. Steil geht es dort bergauf zur Wallfahrtskirche. Macht mir aber wenig aus! Ich bin sehr zufrieden mit mir! Deshalb nehme ich noch die Herausforderung Arthez-de-Béarn an.

Wieder steil nach unten, um dann wieder in einem obligatorischem langen Umweg noch steiler nach oben zu müssen. Was akzeptiere ich nicht alles, um einen alten Ritter in voller Rüstung auf einem alten Sarkophag in einer alten romanischen Kirche in einem aufgelassenen Friedhof mit Eau potable zu bewundern?

Noch ein paar Kilometer geht es auf einer vielbefahrenen Straße neben Autos durch ein langweiliges Wohngebiet bis in die Mitte von Arthez. Immerhin sehe ich zum ersten Mal die Pyrenäen!

Eigentlich bin ich immer noch ganz gut drauf! Aber das soll es dann für heute gewesen sein.