Von Le-Puy-en-Valley bis St.Privat-d’Allier

(Le-Puy-en-Velay/St.Privat d’Allier, Sonntag, 18.06.2017)

Nach ziemlich genau einem Jahr kehrt das Gite d’Etape mobile nach Le Puy zurück. Ich setze den Weg zum Ende der Welt fort. Conques lautet das diesjährige Etappenziel auf der Via Podiensis. Heute soll St.Privat d’Allier erreicht werden.

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Die Vorbereitung mit ein paar längeren Spaziergängen war nicht nur im konditionellem Bereich alles andere als intensiv. Über die bevorstehende Strecke weiß ich eigentlich nur, dass ich am Ende des heutigen Tages in St.Privat sein will.

Für einen anständigen Pilger gehört es sich, den Segen frühmorgens im Dom beim Aufbruch auf die Via Podiensis zu empfangen. Stattdessen verplempere ich die Zeit beim Frühstücken mit dem Verzehr von zwei zusätzlichen Spiegeleiern. Auch das Angebot eines abschließenden Marmeladebrotes und einer weiteren Tasse Kaffees schlage ich nicht aus. Spirituel sieht anders aus!

Schließlich mache ich mich dann doch etwas träge von unserem Standort direkt unter der Notre Dame auf den Weg durch die Gassen Le Puys nervös auf den guten Sitz meiner Stiefel achtend.

Le-Puy Notre Dame
Le-Puy Notre Dame

Spätestens beim Anblick des prächtigen Geißbockes, dessen archaisch maskuline Ausstrahlung der schaffende Künstler durch eine Frauengestalt im Evaskostüm zu mildern versucht, bringt mich wieder auf andere Gedanken: Hat nicht der Pfarrer bei der ersten Beichte gemahnt, keine Bilder von nackten Frauen anzuschauen? Wie passt dies Skulptur zum katholischen Le Puy und damit zur Keuschheit im Denken, Schauen, Tun. Reichte die Darstellung des schönen Tieres nicht wirklich aus?

Le-Puy Geisbock
Le-Puy Geisbock

Die Antworten müssen zurückgestellt werden, denn ich habe Probleme den richtigen Weg zu finden. Auch in der Bedienung meines Navigationsgerätes bin ich offensichtlich etwas aus der Übung. Bergauf zu gehen, ist jedoch fast immer richtig. So gelange ich dann auch zum offiziellen Beginn der Via Podiensis mit der Skulptur des Jakobs.

Le Puy St.Jakob
Le Puy St.Jakob

Etwas befremdlich ist der Inhalt der Schilder dort: man solle dem GR65 folgen und nicht dem Muschelzeichen. Es gäbe Leute, die einen auf den falschen Weg schicken. Tatsächlich versucht später jemand, der sich als ein Mitglied einer Jakobsgesellschaft outet, mich zu überreden, über Bains zu gehen: dies sei der historisch allein richtige, dies sei der kürzere. Er schimpft über die ehemalige Bürgermeisterin und einen Barbesitzer, die für die Routenführung verantwortlich seien.

Ich bleibe auf meiner vorgeplanten Route, die dem GR65 entspricht. Freilich muss ich feierlich versprechen, die entsprechende Bar nicht aufzusuchen.

Mit einem Blick zurück nehme ich Abschied von Le Puy. Es geht auf die Hochebene des En Valley.

En Valley
En Valley

Auf dem ersten Kilometern sehe ich mehr Pilger als auf dem ganzen bisherigen Jakobsweg zusammen. Dies setzt sich bis zum Zielort fort.

Es riecht nach frischem Heu. Eigentlich alles wie zuhause. Im En Valley mischt sich das Relief des Bayerischen Waldes mit der Vegetation wie man sie auf den Juraflächen rund um das Donautal oder Altmühltal findet. Wie zu Hause wachsen auf felsigem Grund sporadisch Kiefern und Föhren auf Magerrasenflächen. Freilich befindet man sich hier auf der Höhe des Arbers. Trotzdem wird immer noch Gerste angebaut.

Äcker und Felder sind durch Steinmauern abgegrenzt, oft noch durch Stacheldrähte befestigt. Ein Abweichen von Wegen ist fast unmöglich. Der Vorteil ist, dass die alten Wege zu eng für die moderneren Maschinen sind, sich zu Biotopen entwickeln und einer Menge Kräutern und Insekten Lebensraum bieten. Millionen von Bienen und ihr Summen begleiten mich. Gott sei Dank scheinen diese dort zur friedlicheren Sorte zu gehören.

En Valley Pfad
En Valley Pfad

Es ist heiß. Es ist sehr heiß sogar. Das Wertvollste an diesem Tag ist Schatten.

Die Chapelle St.Roch bietet diesen Schatten. Ich genieße ihn. Schon lange war der Aufenthalt in einer Kapelle nicht mehr so angenehm. Sonderbarerweise bin ich der einzige, der diese Wohltat genießt. Die Masse der Mitpilger liegt draußen unter den Bäumen, schläft total fertig, oder pflegt ihre geschundenen Fußsohlen, die nach Ablegen der nagelneuen High-Tech-Wanderschuhe endlich befreit atmen können. Ein Wanderschuh macht noch keinen Wanderer!

En Valley Pfad
En Valley Chapelle St.Roch

Ich gehe nach Montbonnet, finde eine Bank unter einem schattigen Baum, und mache Brotzeit. Absolute Ruhe in der gleißenden Mittagshitze, nur ein paar Hühner gackern! Schnell leistet mir ein freundlicher Hund Gesellschaft. Mit ihm teile ich den Schinken auf meinem Sandwich. Er dankt es mir, indem er seinen Kopf vertrauensvoll auf meinen Oberschenkel legt. Lebt wohl sonst von Mäusen! Auf jedenfall ist seine Nase noch voll des Lehms vom Schnüffeln in Erdlöchern und auch sein verdrecktes Fell zeugt von Jagdzügen in den Feldern.

En Valley Hund
En Valley Hund

Wasser habe ich genug. So muss ich nicht die einzige Bar im Ort aufsuchen.

Es geht an der Bar vorbei (kaum die anfangs angesprochene) hoch zum Monts du Devens auf über 1200 m. Die aufkommende Müdigkeit überkommt langsam die Begeisterung über meine Hitzeresistenz.

Der Abstieg nach Privat d’Allier scheint zunächst ertragbar, wird immer steiler und am Schluss mit seinem Geröll zur Tortur. Dass Pilgern im Mittelalter meistens eine Strafe ist, kann ich hier nachvollziehen.

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