Von Stans bis Flüeli

(Stans/Flüeli, Sonntag, 10.06.2012)

Am Sonntag weckt mich noch während der Morgendämmerung ein lautes Piepsen aus dem Tiefschlaf in meinem Hundert-Franken-Hotel. Zunächst tippe ich auf mein Handy und verdächtige den Schweizer Provider, eine neue Sounddatei aufgespielt zu haben. Aber natürlich nimmt die Bahn ihren Betrieb auf, und das Geräusch stammt von einem sich schließenden Übergang unmittelbar unter meinem Zimmerfenster. Das stand natürlich nicht auf der Webpage des Hotels.

Und weil ich schon wach bin, versuche ich das Prasseln der Regentropfen nicht zu hören. Aber es ist zweifellos da.

Wie schon gestern stoppen aber die Niederschläge mit dem Aufbruch nach Ranft und Flüeli. Und tatsächlich sollte es doch ein schöner Tag werden.

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Nach Stans gilt es natürlich erst einmal wieder ein paar Höhenmeter zu gewinnen. Doch solange ich nicht in die Wolken gelange, ist das erst einmal ok. Außerdem scheint der ausgeschilderte Jakobsweg nicht jede vorhandene Bergspitze im Gegensatz zu meiner Planung einbeziehen zu wollen. Das verspricht eine vergleichsweise leichte Etappe zu werden.

Offensichtlich bin ich nicht der einzige auf dem Weg Finis Terre. Auch wenn es dann nicht mehr weiter geht.

Noch einmal ein Blick zurück nach Stans. Und dann heißt es Abschied nehmen vom Vierwaldstätter See.

Gibt es eine Ortschaft mit Namen St.Jakob, so muss der Jakobsweg natürlich hindurchführen. Hinweise auf den Namensgeber finde ich nicht. Dafür ist aber die Gestaltung von Holzstößen bemerkenswert. Was bleibt ist die Illusion, sich auf alten Pfaden zu bewegen.

Obwohl erst Mittag stelle ich mit Blick auf mein Navigationsgerät fest,es ist nicht mehr weit nach Flüeli. Inzwischen kommt die Sonne durch, und ich beschließe eine ausgiebige Siesta auf einer Bank am Waldrand. Ein kurzes Schläfchen, und ich fühle mich wie neu geboren. „Erholung statt Kilometer“, lautet die Devise jetzt.

Auf sanften Bergrücken mit ersten Ausblicken auf den Sarner See geht es weiter bis der Weg plötzlich steil in eine Schlucht abfällt. Hier ist Ranft, wo der Schweizer Nationalheilge Bruder Klaus im fortgeschrittenen Alter als Eremit hauste.

Noch einmal geht es kurz steil bergauf nach Flüeli. Eigentlich wollte ich ja heute Schlafen im Stroh machen. Da ich die entsprechende Örtlichkeit hätte erst suchen müssen und die haarstäubenden Schilderungen eines Pilgerkollegen über Übernachtungen in Massenlagern, lassen mich dann doch wieder ein Hotel aufsuchen.

Was ich nicht wusste war, dass dort auch eine Gruppe spätpubertärer Amerikaner auf dem Trip Europa-in-fünf-Tagen ankommen und über die mangelnden Shoppingmöglichkeiten in Flüeli frustriert sein ist. Was ich nicht wusste war, dass ihr Fahrer den Motor seines Busses exakt um sechs Uhr morgens unter meinem Fenster starten würde.