Von Pimbo bis Arthez-de-Béarn

(Pimbo/Arthez-de-Béarn, Dienstag, 09.07.2019)

In der Nacht gibt es mehrere Gewitter mit starkem Regen. Es ist etwas kühler als die Tage zuvor, aber durchaus angenehm.

Das Gebiet hier wird im wesentlichen nach Nordwest entwässert während ich mich nach Südwest bewege. Das lässt auf eine kupierte Etappe mit einigen Taldurchquerungen schließen. Eigentlich will ich nur bis Pomps, dann nur bis Castillion, und am Schluss schaffe ich mit Arthez-de-Béarn meine längste Strecke auf dem Jakobsweg.

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Auf nassen Straßen geht es gleich einmal von Pimbo steil bergab. Der ein oder andere abgebrochene Ast liegt auf der Straße. Der Bach im Tal ist angeschwollen mit lehmigen Wasser. Nach ungefähr einer Stunde bin ich in Arzacq-Araziguet.

Arzacq-Arraziguet
Arzacq-Arraziguet

Ich entledige ich mich einiger Steine in meinen Schuhen. Und weiter geht es!

Mittagspause ist in Louvigny, weil sich hier eine relativ bequeme Gelegenheit zum Sitzen an einer Art Tiertränke bietet. Vielleicht auch deshalb, weil die Umgebung meinen heimatlichen Gefilden ähnelt.

Der erschöpfte Kollege aus Lecture kommt vorbei. Sieht diesmal besser aus! Ob in der Hitze bei fast vierzig Grad oder in der momentanen Kühle bei zwanzig Grad, sein Outfit ist immer gleich! Immer lange Hose! Er ist deutsch, ich bin deutsch. Das wissen wir aber nicht. Deshalb bleibt es bei einem freundlichen Lächeln mit „Beaujour“.

Später hole ich ihn in Fichous-Ríoumayou wieder ein. Beim Auffüllen meiner Wasservorräte im dortigen Friedhof sitzt er rastend auf einer Steinbank am Leichenhaus.

In Larreule gibt es eine Gite d’Etape. Diese ist zwar noch geschlossen, aber man hat Zugang zu einem Getränkeautomat.

Die angebotene Orangensaftlimonade ist jetzt kostenpflichtig und auch teurer als beim Fachwerkhaus. Die guten Erfahrungen lassen aber gleich zwei Dosen des Gemisches in mich hineinstürzen. Die Wirkung ist verblüffend! So muss sich Asterix nach Vereinnahmung des Zaubertrangs von Miraculix gefühlt haben!

Locker geht es voran. Mein Coach kommt mir entgegen. Sie hat das Auto in Uzan abgestellt, um mit mir die letzten Kilometer zu gehen.

Unterwegs entdeckt sie eine in Folie geschweißte Landkarte mit akribischen Notizen über den örtlichen Jakobsweg. Zettel sind angeheftet mit detaillierten Beschreibungen aller Kirchen und den Besonderheiten ihrer Figuren. Das nenne ich Planung! Ein großer Verlust für den Besitzer!

Da irrt auch schon eine offensichtlich suchende Gestalt in der Ferne. Meine Begleiterin winkt mit der Karte. Ein in hundert Meter Entfernung merkbares frohes Lächeln vertreibt die Verzweiflung aus dem Gesicht des Suchenden.

Wahres Glück!

Gemeinsam gehen wir nach Uzan. Dort zweigt er in die Kapelle ab, um im stillen Gebet für das Auffinden der Utensilien zu danken.

Eigentlich habe ich mein Soll für heute abgespult. Aber es ist noch früh und ich fühle mich mich noch fit für ein paar Kilometer. Castillion soll nun das Ziel sein. Steil geht es dort bergauf zur Wallfahrtskirche. Macht mir aber wenig aus! Ich bin sehr zufrieden mit mir! Deshalb nehme ich noch die Herausforderung Arthez-de-Béarn an.

Wieder steil nach unten, um dann wieder in einem obligatorischem langen Umweg noch steiler nach oben zu müssen. Was akzeptiere ich nicht alles, um einen alten Ritter in voller Rüstung auf einem alten Sarkophag in einer alten romanischen Kirche in einem aufgelassenen Friedhof mit Eau potable zu bewundern?

Noch ein paar Kilometer geht es auf einer vielbefahrenen Straße neben Autos durch ein langweiliges Wohngebiet bis in die Mitte von Arthez. Immerhin sehe ich zum ersten Mal die Pyrenäen!

Eigentlich bin ich immer noch ganz gut drauf! Aber das soll es dann für heute gewesen sein.

Von Aire-sur-l’Adour bis Pimbo

(Aire-sur-l´Adour/Pimbo, Montag, 08.07.2019)

Schwarze Wolken hängen über Aire. In der Nacht zieht eine Kaltfront über das Land und einige Tropfen fallen. Aber es ist immer noch zu warm als das sich die Wolken ergießen müssten.

Ich bin gut drauf! Ich erhole mich gut in der Nacht! Ich habe immer noch keine Blase! Auch sonst keine Wehwehchen!

Vom Campingplatz geht nach Miramont-Sensacq. Wenn es gut läuft bis nach Pimbo!

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Bei der Kathedrale Saint-Jean-Baptiste stadtauswärts kommt mir Sylvie (Typ ergrauende katholische Religionslehrerin mit stets positivem Lächeln und gepflegten Kurzhaarschnitt) stadteinwärts entgegen. „Ach, es ist egal, wo man ist! Stecke Dein GPS in den Rucksack! Das macht Dich frei!“, bekundet sie auf Englisch. Auf der anderen Seite schließt sie sich mir gerne an, denn ich kenne die wahre Richtung

Wir besichtigen die Abteikirche Saint-Quitterie mit dem Grab der gleichnamigen Heiligen, der für ihren Glauben an die Einheit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist auf Veranlassung des eigentlich auserkorenen zukünftigen Gatten der Kopf abgeschlagen wurde. Meine zynische Bemerkung „Es gab Zeiten als Frauen noch wussten, was wichtig ist.“, kommt nicht an. Ihre enthusiastische Übersetzung von Gebetsanliegen, die in Französisch auf Zetteln gedruckt am Portal ausliegen, verstehe ich nun wieder nicht. Wir haben ein Kommunikationsproblem.

Wir gehen am Stausee oberhalb von Aire vorbei, ohne uns etwas sagen zu können. Sylvie singt etwas „Heidschi Bumbeidschi“ ähnliches , ohne mir mitzuteilen, was sie daran so freut.

Nach der Autobahnunterführung geht es leicht bergauf. Schnell entsteht eine Lücke. Sie wird nicht mehr geschlossen.

Schnurrgerade geht es Kilometer parallel der Autobahn A63. Eigentlich könnte man auch auf dem Standstreifen laufen. Die schwarzen Wolken, der graue Wegbelag, das kontrastlose Grün der Weinfelder sorgen nicht gerade für eine heitere Stimmung. So muss sich Noah gefühlt haben, kurz bevor die Sintflut einsetzte. Allein dass er trotz schnellen Schrittes nicht merklich ermüdet, erfreut mich alten Bock!

Den Wasserturm von Miramont habe ich gestern schon verschwommen in großer Entfernung wahr genommen. Schön langsam wird er plastischer und greifbarer. Ich nähere mich dem Mittagsziel.

Miramont -Wasserturm

Bei Miramont ändert sich der Charakter der Landschaft. Es wird hügeliger. Die Pyrenäen künden sich an, aber wegen der diesigen Luft sehe ich sie noch nicht.

Ein kurzer Aufstieg! Dann gibt es im Campingvan Macaroni mit Bolognese! Und ein kühles 188 Milliliter Bierchen aus einem feucht angelaufen Fläschchen!

Miramont – Aufstieg

Das obligatorische Mittagsschläfchen vor der Kirche unter schattigen Bäumen wird gewaltsam durch eine Herde Ameisen abgebrochen, die meinen Körper als Nahrungsquelle entdeckt haben.

Miramont – Kirche Saint-Jacques (außen)

Ein Bewegungsmelder in der Kirche sorgt für die Beleuchtung der Apsis und für das Abspielen von meditativer Musik. So kommt heute auch einmal der spirituelle Aspekt meiner Wanderung zu seinem Recht.

Miramont – Kirche Saint-Jacques (innen)

Mit Miramont beginnt das Baskenland. Kulturell und verwaltungstechnisch! Für den Wanderer bedeutet dies eine auffällige Zunahme der bisher sehr spartanischen Raststellen mit Wasser, Sitzgelegenheiten und Informationstafeln. Selbst die immer freundlichen Menschen scheinen noch herzlicher als bisher.

Mit Miramont beginnen langsam auch die Pyrenäen. Anstelle des Wein- tritt mehr und mehr der normale Ackerbau. Hie und da weiden auch schon wieder Kühe. Auf dem Weg nach Pimbo gilt es einige Täler mit kurzen aber satten An- und Abstiegen zu bewältigen.

Selbstverständlich geht es dorthin nicht auf dem kürzesten Weg. Der Fremde soll nur nicht sagen, er habe etwas versäumt. So habe ich Pimbo schon schon links vor Augen! Dann doch nochmal rechts ein schöner Abstieg mit nochmaligen noch schönerem Aufstieg bis direkt zur archaisch anmutenden Kirche nach Durchquerung eines verfallenen Hinterhofes!

Pimbo - Kirche
Pimbo – Kirche

Das tausend Jahre alte Portal zeugt von aufregenderen Zeit, die Pimbo schon erlebt haben mag.

Pimbo - Portal
Pimbo – Portal

Das Eintauchtaufbecken von hunderte Jahren alten Schimmel durchwachsen! Wer könnte sich hier wehren, sein Kind in den Schoß der Kirche aufzunehmen?

Pimbo - Taufstein
Pimbo – Taufstein

Wahrlich ein würdiger Ort eine Etappe abzuschließen!

Pimbo - Ankunft
Pimbo – Ankunft