(Montfaucon/Saint Jeures, Donnerstag, 30.06.2016)
Der Morgen in Montfaucon beginnt mit Aufstechen von Wasserblasen, die sich über Nacht in herrlicher Pracht am rechten und linken Fußballen aufgebläht haben. Die sorgen mich eigentlich nicht. Solange sie leer sind, sind sie fast nicht zu fühlen. Gegebenenfalls muß ich halt mit einer Sicherheitsnadel nachstechen.
An den Fersen beginnen sich jedoch kleine Kugeln aus Hornhautschichten aufzubauen, die wie Nadeln in die darunterliegenden Hautschichten stechen. Ist das Gepieke allein schon nervend, werden sich die Stellen entzünden, als Brennen spürbar und als Blutblasen sichtbar.
Guter Rat ist teuer. Die Hornhaut wegzuhobbeln, traue ich mich dann doch nicht. Also Blasenpflaster drauf, um zumindest die Reibung zu reduzieren. Wie sich herausstellt enthält dieses ein Gel, das in die Haut eindringt, weich macht und Entzündungen hemmt. Ob das auch für die billigen Pflaster aus französischen Supermärkten gilt, habe ich nicht ausprobiert.
Auf jeden Fall fühlt sich das Ganze im Stiefel beim Start nach Saint Jeures überraschend gut an.
Die braunen Mauern von Montfaucon mögen bei blauem Himmel einen eigenen Charm ausstrahlen. Aber heute ist er grau. Es regnete in der Nacht, es schaut weiter nach Regen aus. Ich habe sogar meinen roten Aluschirm dabei. Wenigstens ein Farbtupfer!
Bei braunen Mauern im Grünen dagegen wird es romantisch. Ich könnte es vor und hinter denen hier gut aushalten.
In all diesem Braun und Grün kommt der Riesenhahn mit seinem bunten Gefieder gerade recht. Trotz seiner vielen Hennen beneide ich ihn nicht um das chaotische Ambiente aus in den letzten Jahrzehnten angehäuften Werkzeugen,Fahrzeugen und Plastikeimern. Das verbreitete Motto lautet: „Alles kann man brauchen.“
Tence ist erreicht. Mein fehlendes Vertrauen in die Jakobswegbeschilderung beschert mir eine längere Stadtbesichtigung. Hier hätte ich meine Mittagspause einmal jenseits von Baguette und Salami nutzen können.
Am Schluß verlasse ich die Stadt doch über den ausgeschilderten Weg und den Hochwasser führenden Fluß. Die Niederschläge der letzten Nacht waren doch sehr ergiebig.
Die gestern von Les Setoux noch so klein und weit entfernten Berge werden größer und kommen näher. Es geht voran.
Das heutige Ziel Saint Jeures ist nahe. Meine Sohlen haben gut gehalten und ich fühle mich ansonsten auch noch fit. Ich denke darüber nach, die Etappe auszuweiten, um mir einen Tag bis Le Puy zu sparen.
Doch dann sehe ich das Gite d’Etape mobile vor der Kirche in Saint Jeures. Da ziehe ich meine Schuhe aus, genieße das von der Herbergsfrau zubereitete Pilgermahl und verbringe den Rest des Tages damit, mich wie Gott in Frankreich zu fühlen.