Von Molette bis Les Setoux

(Molette/Les Setoux, Montag, 27.06.2016)

Der Stellplatz für die Nacht ist der Parkplatz im Zentrum von Molette. Dieser liegt direkt neben einem Seniorenheim, dessen Insassen im Public Viewing ein Europameisterschaftspiel der französischen Nationalmannschaft verfolgen. Ihre Gefühlsschwankungen gehen einher mit der entsprechenden Lautstärke. Als sie sich endlich beruhigt haben, grölt freilich der ein oder andere Betrunkene immer noch.

Irgendwann schaltet die Straßenbeleuchtung ab und es herrscht die totale Finsternis. Die Herbergsfrau fühlt sich bedroht und beginnt mit der Zentralverriegelung zu experimentieren, was sich als nicht so einfach erweist. In jedem Fall stellt sich die Nachtruhe sehr spät ein. Nach Les Setoux geht es trotzdem wie geplant.

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Am Ausgang vom Molette findet sich eine Anlage, die ich zunächst für einen aufgelassenen Friedhof, dann für ein besonderes der überall üblichen Kriegerdenkmale, am Schluß für einen Kreuzweg halte. Aber vielleicht ist es auch Alles in Einem.

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Im nächsten Dorf findet sich dann endlich der erste Baum mit reifen Kirschen. Mag sein, dass sie aufgrund der Höhenanlage etwas später dran sind.

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Ich steige nach Bourg-Argental ab. Ich fröstle leicht, obwohl es nicht kalt ist. Der Turbo zündet heute nicht. Ich schleppe mich durch Bourg-Argental. Schwer müde! Weiter! Nur immer weiter! Ich schleppe mich hoch zur ehemaligen Bahnstrecke zum Col du Tracol. Jetzt erstmal Mittagspause vor dem ehemaligen Tunnel! In die Sonne legen und erstmal schlafen!

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Das Pauschen bewirkt auch heute wieder Wunder.Die Müdigkeit ist verflogen. Vielleicht sollte ich nur noch nachmittags laufen!

Auf der gut zu laufenden ehemaligen Bahntrasse finde ich einen guten Rhythmus. Ich halte den Puls bewusst etwas höher, um meinen Körper nicht wieder zum Schlafen einzuladen. Langsam wie ein Zug gewinne ich an Höhe. Die 1200 m über den Col du Tracol sehe ich jetzt gelassen.

Die Architektur der am Ende des 19.Jahrhundert in Europa erbauten Bahninfrastruktur ist wohl überall gleich. Ähnliche Häuschen finden sich auch in der näheren und weiteren Umgebung um meinen Wohnsitz und erzeugen heimatliche Gefühle. Sie finden sich auch auf der Bagdadbahn zwischen Istanbul und Konya in der Türkei.

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Da die Trasse durch den Tracol führt, der Weg aber über ihn, muss irgendwann der Abzweig erfolgen. Hinter St-Sauveur-en-rue folgt der zunächst knackige, später wieder gemäßigte Aufstieg.

Ich überhole ein Pilgerpärchen im Wald. Sie machen gerade den Kranich auf einem Bein stehend, Hände nach oben gefaltet, Blick in die Ferne gerichtet. Man soll so sein Bewusstsein erweitern können. Auf-einem-verspannten-Bein-stehen versuche ich erst gar nicht wegen Umfallgefahr!

Dann tritt man aus dem Wald und dem Blick erschließt sich eine völlig neue Welt.

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Vor der kleinen Kirche in Les Setoux ist ein Jakobsbrunnen, aus dem der Pilger das Dorf in sich aufnehmen kann.

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In die Kirche kann ich gerade nicht, weil gerade der Bewegungssensor zum Abspielen der meditativen Musik repariert wird. Ich bin aber dann der erste, der das System testen darf.

Ein ehrenvoller Abschluss der Etappe! Bis Morgen ist dann mal Ruhe.. Dann auf zu neuen Taten, so Gott will!

Von Chavanay bis Molette

(Chavanay/Molette, Sonntag, 26.06.2016)

Vom Stadion in Chavanay geht es heute aus dem Rhonetal heraus nach St-Juline-Molin-Molette.

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Chavanay ist von Weinbergen umgeben. So wird sich bald die Gelegenheit bieten, einen hinaufzusteigen.

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So wird sich bald auch wieder die Gelegenheit ergeben, auf das Rhonetal zurückzublicken. Kein Vergleich zu den Aussichten und Ansichten von gestern.

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Die Weinfelder sind durch Trockenmauern getrennt. Wahrscheinlich nicht durch Europageld gesponsert wie in der Sierra Tramontana auf Mallorca, wo ähnliche Gebilde zum UNESCO Kulturdenkmal deklariert wurden.

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Irgendwo auf der Höhe tauchen plötzlich vom Weg links vier Gestalten mit Rucksäcken auf. Nach der üblichen Kontaktaufnahme in Französisch stellt sich heraus, dass wir Deutsch sprechen können, da sie aus Melk an der Donau stammen. Ich gehe ein Stück mit ihnen bevor sie in einem am Weg liegenden Restaurant Mittag machen. Zwanzig Kilometer haben sie schon auf dem Buckel, ich erst acht!

Freilich ist es bis zu meiner obligatorischen Mittagspause nach zehn Kilometern oder zwei Stunden auch nicht mehr weit. Ich setze mich unter einen Baum in einer frisch gemähten Wiese, entledige mich meiner Stiefel und den Socken, esse Baguette mit Salami und Käse, leere die erste meiner 1,5 Liter Apfelschorleflasche, lege mich auf den Rücken, und während ich denke „Schön ist es, hier könnte ich es auch länger aushalten“ sinke ich für etwa eine Viertelstunde in einen Schlaf. Aufgewacht bin ich zwar nicht wie neugeboren, doch die Müdigkeit der ersten zwei Stunden ist weg. Ich fühle mich tatsächlich fitter als beim Start.

Ist auch notwendig, denn jetzt gilt es immer aufsteigend über den Bergkamm im Hintergrund zu kommen.

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Der Aufstieg erfolgt kontinuierlich. Erst am Schluß wird es etwas steiler. Und noch bevor man sich versieht, steht man vor der Gite d’Etape St.-Blandine mit einem Rundblick bis zu den Alpen.

Das gleiche hinter der Gite d’Etape St.-Blandine. Ich komme fast in Versuchung mein Gite d’Etape mobile einzutauschen.

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Dann heißt es Abschiednehmen vom Rhonetal. Beim Abstieg nach Molette monieren die Hautfasern in meinem Sohlen die plötzliche Druckbelastung nach der vorherigen Zugbelastung durch ein gewisses Brenn- und Walkgefühl. Werden sich doch keine Blasen bilden?

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