Ob die Pause Gottes Wille war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall verbrachte ich den gestrigen Tag überwiegend in einem Campingstuhl an einem schönen See in der Nähe von Les Setoux mit Blasenpflege.
So geht es halt erst einen Tag später nach Montfaucon. Das Ziel liegt 300 Meter tiefer als der Startpunkt. Letzten Endes ein Abstieg, wenn auch ein welliger.
Der Stellplatz für die Nacht ist der Parkplatz im Zentrum von Molette. Dieser liegt direkt neben einem Seniorenheim, dessen Insassen im Public Viewing ein Europameisterschaftspiel der französischen Nationalmannschaft verfolgen. Ihre Gefühlsschwankungen gehen einher mit der entsprechenden Lautstärke. Als sie sich endlich beruhigt haben, grölt freilich der ein oder andere Betrunkene immer noch.
Irgendwann schaltet die Straßenbeleuchtung ab und es herrscht die totale Finsternis. Die Herbergsfrau fühlt sich bedroht und beginnt mit der Zentralverriegelung zu experimentieren, was sich als nicht so einfach erweist. In jedem Fall stellt sich die Nachtruhe sehr spät ein. Nach Les Setoux geht es trotzdem wie geplant.
Am Ausgang vom Molette findet sich eine Anlage, die ich zunächst für einen aufgelassenen Friedhof, dann für ein besonderes der überall üblichen Kriegerdenkmale, am Schluß für einen Kreuzweg halte. Aber vielleicht ist es auch Alles in Einem.
Im nächsten Dorf findet sich dann endlich der erste Baum mit reifen Kirschen. Mag sein, dass sie aufgrund der Höhenanlage etwas später dran sind.
Ich steige nach Bourg-Argental ab. Ich fröstle leicht, obwohl es nicht kalt ist. Der Turbo zündet heute nicht. Ich schleppe mich durch Bourg-Argental. Schwer müde! Weiter! Nur immer weiter! Ich schleppe mich hoch zur ehemaligen Bahnstrecke zum Col du Tracol. Jetzt erstmal Mittagspause vor dem ehemaligen Tunnel! In die Sonne legen und erstmal schlafen!
Das Pauschen bewirkt auch heute wieder Wunder.Die Müdigkeit ist verflogen. Vielleicht sollte ich nur noch nachmittags laufen!
Auf der gut zu laufenden ehemaligen Bahntrasse finde ich einen guten Rhythmus. Ich halte den Puls bewusst etwas höher, um meinen Körper nicht wieder zum Schlafen einzuladen. Langsam wie ein Zug gewinne ich an Höhe. Die 1200 m über den Col du Tracol sehe ich jetzt gelassen.
Die Architektur der am Ende des 19.Jahrhundert in Europa erbauten Bahninfrastruktur ist wohl überall gleich. Ähnliche Häuschen finden sich auch in der näheren und weiteren Umgebung um meinen Wohnsitz und erzeugen heimatliche Gefühle. Sie finden sich auch auf der Bagdadbahn zwischen Istanbul und Konya in der Türkei.
Da die Trasse durch den Tracol führt, der Weg aber über ihn, muss irgendwann der Abzweig erfolgen. Hinter St-Sauveur-en-rue folgt der zunächst knackige, später wieder gemäßigte Aufstieg.
Ich überhole ein Pilgerpärchen im Wald. Sie machen gerade den Kranich auf einem Bein stehend, Hände nach oben gefaltet, Blick in die Ferne gerichtet. Man soll so sein Bewusstsein erweitern können. Auf-einem-verspannten-Bein-stehen versuche ich erst gar nicht wegen Umfallgefahr!
Dann tritt man aus dem Wald und dem Blick erschließt sich eine völlig neue Welt.
Vor der kleinen Kirche in Les Setoux ist ein Jakobsbrunnen, aus dem der Pilger das Dorf in sich aufnehmen kann.
In die Kirche kann ich gerade nicht, weil gerade der Bewegungssensor zum Abspielen der meditativen Musik repariert wird. Ich bin aber dann der erste, der das System testen darf.
Ein ehrenvoller Abschluss der Etappe! Bis Morgen ist dann mal Ruhe.. Dann auf zu neuen Taten, so Gott will!