Von Lascabanes bis Lauzerte

(Lascabanes/Lauzerte, Donnerstag, 07.06.2018)

Weil ich gestern auf die Kirschen verzichtet habe, bekomme ich heute Spiegeleier zum Frühstück. Während des Verzehrs setzt in der Gite gegenüber nervöse Aufbruchshektik ein. Es ist acht Uhr und schon verwunderlich, dass die nicht schon alle weg sind. So habe ich auf dem Weg nach Lauzerte den ganzen Pulk direkt vor mir.

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Fast gleichzeitig treffen alle im schönen Montcuq ein. Kurzzeitig die Cafes gestürmt! In ein solches gehe ich nicht. Stattdessen treffe ich meine Frau, die soeben ein schönes Kissen in einem Schaufenster entdeckt hat, das jetzt gekauft werden muss. Dafür werden meine lebensnotwendigen Apfelschorlevorräte wieder aufgefüllt.

Nach Montcuq geht es kurz leicht bergab und dann sofort wieder steil bergauf: Pilgerstau! Fast oben angekommen lässt sich Matthias von mir einholen. Matthias Hobby ist offensichtlich die Psychonanalyse und es dünkt ihn nach einer Unterhaltung in Deutsch. Die erste Frage: „Kannst Du Latein?“ Schon etwas überrascht antworte ich: „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ Das versteht er zwar nicht, aber offensichtlich ist er nun von meinen Kenntnissen überzeugt. Dann die zweite Frage: „Ist es leicht Latein zu lernen?“ „Eigentlich habe ich nie gelernt: Vokabeln habe ich beim Ausfragen der Mitschüler mitbekommen und die Grammatik ist mir irgendwie gelegen. „Warum hast Du den nicht gelernt?“ „Weil ich lieber Fußball gespielt habe als Hausaufgaben zu machen. Weil ich ab und zu vor der Schule schon mal in der Metzgerei meiner Eltern helfen musste. Die meiste Zeit verbrachte ich im Unterricht beim Schlafen mit offenen Augen. Die Schule war nicht so wichtig. Non scholae sed vitae discimus.“ „Ein Metzger auf dem Jakobsweg!“, stellt er verwundert fest, das Thema Latein jetzt völlig ignorierend.

Unsere Schritte harmonieren und so können wir gut miteinander gehen. Matthias setzt sein Fragespiel fort. So kommen wir über Marx, Nitsche, Kant und sonst noch was über das Thema Fußball auch zu Uli Höneß (gerade im Gefängnis). Er stellt fest: „Das ist ja auch ein Metzgersohn!“ Und nach einer kurzen Pause: „Der Franz-Josef Strauß war ja auch ein Metzgersohn!“ Ist das nun positiv oder negativ gemeint?

In Lauzerte trennen sich dann unsere Wege. Er muss in den Intermarche, ich muss meine Frau suchen. Ich treffe ihn die nächste Tage noch ein paar Mal. Immer die ersten Worte: „Der Metzger auf dem Jakobsweg!“ Die weiteren Ergebnisse seiner Analyse sind mir nicht bekannt.

Lauzerte ist eine alte Festung auf einem Hügel. Das Wandeln durch seine Gassen ist eine Zeitreise durch das Mittelalter. Eine Attraktion ohne Touristen!

Meine Frau hat das Auto auf der alten Stadtmauer direkt neben Stadttor geparkt. Ein guter Platz! Von dort geht es erstmal in die Bar in der Ortsmitte auf ein kühles Bier!

Von Cahors bis Lascabanes

(Cahors/Lascabanes, Mittwoch, 06.06.2018)

Die Nacht verbringen wir im Campingplatz von Cahors zum Auffüllen von Wasser und Aufladen der Batterien. Wieder schüttete es vom Himmel. Der Boden ist gesättigt und kann nichts mehr von dem Nass aufnehmen. Tagsüber regnet es meistens nicht und die Temperaturen sind zum Wandern gerade richtig.

Nach dem Frühstück bringt mich das Auto in die Innenstadt und ich werde an der Kathedrale abgesetzt. Bevor ich mich auf den Weg nach Lascabanes mache, will ich diese schon noch besichtigen. Um elf Uhr findet das tägliche Orgelkonzert statt. Ich hadere lange mit mir, ob ich es mir anhören soll. Verschiebe meinen Aufbruch dann aber doch nicht.

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Vor der Kathedrale findet ein Markt statt, wo der französische Feinschmecker alle Delikatessen frisch findet. Für mich bleibt es nur ein optischer Genuss. Die Hauptroute ist auf meinem GPS gespeichert und so finde ich dieses Mal ohne Probleme auf den Jakobsweg zurück.

Über die Brücke geht es auf die andere Seite des Lot, der hier seine Wassermassen eindrucksvoll über ein Wehr wälzt.

Direkt dahinter eine Felswand, die den Lot in die Kehre zwingt. „Für Pferde und Esel verboten“, steht auf einem Schild und schickt diese auf einen Umweg. Ich muss da natürlich hochschwitzen, mache einen kleinen Abstecher zum Croix de Magne und genieße den tollen Ausblick auf Cahors zum Abschied.

Fast genauso spektakulär sind die Immobilien, die mich auf meinen weiteren Weg begleiten. Vor einer nähert sich ein Porsche, dem von Geisterhand ein Tor geöffnet wird. Das Auto gleitet langsam über die eine breite gepflegte Auffahrt zum überdachten Eingang des Herrenhauses mit einer breiten Glasveranda. Jemand steigt aus und verschwindet unter den hohen Türen. Alles beobachtet von Dutzenden von Kameras! Wer ist den hier so wichtig, dass er so bewacht werden muss?

Egal! Ich bin heute gut drauf und es geht schnell voran trotz einer Berg- und Talbahn! Zunächst geht es hoch nach La Rozìere, dann wieder runter, dann gleich wieder hoch nach Labastide-Marnhac, wo es erst einmal bei einer Pause Apfelsaftschorle zum Abwinken gibt. Mein Verbrauch ist ein Liter pro fünf Kilometer, was auf Etappe ungefähr fünf Liter ergibt. Zumindest die Hälfte habe ich immer in meinem Rucksack. Durst ist schlimm!

Auf dem zweiten Teil der Etappe geht es auf einem Bergrücken entlang und endet schließlich nach einem ungeliebten Abstieg in Lascabanes, einem der zertifiziert schönsten Dörfer in Frankreich. Dies ist in der Tat nicht übertrieben. Ich fühle mich hier sofort pudelwohl.

Wir haben heute einen wirklichen schönen Übernachtungsplatz unter einer Linde auf dem kleinen parkähnlichen Parkplatz direkt gegenüber einer Gite. Das Treiben der Pilger vom Waschen ihrer Bekleidung über das Sonnenbad in den Liegestühlen des Gartens bis hin zum Aperitif vor dem gemeinsamen Abendessen liefert kurzweilige Unterhaltung mit der kein Spielfilm mithalten kann. Immer was zu gaffen!

Für Beunruhigung sorgt nur der Kirschbaum in der Mitte des benachbarten Garten mit seinen runden tiefrot glänzenden Früchten im Schein der untergehenden Sonne, der mich geheimnisvoll zu einer Kostprobe anzieht. Meine Frau spielt Anstandswächter und verbietet mir auch nur eine davon zu vernaschen: „Das macht man nicht! Die anderen machen das auch nicht.“