Via Helvetia

Vom Anfang zum Ende der Welt bin ich in den Jahren 2011 bis 2013 für einen Tag in Österreich mit Start auf dem Pfänder und dann in der Schweiz über Einsiedeln, Iseltwald, Freiburg mit dem Endziel Genf auf 21 Etappen unterwegs .

In Einsiedeln breche ich ab wegen eines Schlechtwettereinbruchs, in Iseltwald wegen unerträglicher Schmerzen im linken Bein. Da die Ursache nicht klar ist, erledige den Rest von jeweils einem zentralen Hotel mit schneller Hilfe zur Sicherheit.

Von Iseltwald bis Merligen

(Iseltwald/Merligen, Montag, 24.09.2012)

Nach mehr als drei Monaten kehre ich nach Iseltwald zurück, um jetzt das nachzuholen, was im Sommer schmerzbedingt verwehrt war. Heute soll es auf dem Jakobsweg bis nach Merligen gehen, in den nächsten Tagen bis nach Fribourg.

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Auf der Straße, die ich damals im schweizerischen Postauto befuhr, gehe ich heute auf Schusters Rappen dem Brienzer See entlang. Wie schon im Sommer wieder unter dem Regenschirm! Just als ich die ersten Schritte mache, fängt es aus allen Kübeln zu schütten an! Hoffentlich ist damit das Kontingent an Gemeinsamkeiten ausgeschöpft.

Interlaken ist zunächst aus der Ferne nur hinter einem Schleier erkennbar. Ähnlichkeiten mit Bildern vom Vierwaldstätter See sind zufällig!

Entlang der Aach betrete ich Interlaken. Schiffe fahren hier rückwärts, weil Wendemanöver auf dem engen Zufluss vom Thuner See wahrscheinlich zu beschwerlich sind.

Mein Wanderweg setzt sich auf der Hauptflaniermeile zwischen den Bahnhöfen Ost und West fort. Grande Hotel, Hotel Royal, Hotel Savoy … künden von der großen Zeit der 20-er Jahre. Heute für mich eher Attrappen wie ausgestopfte Saurier in einem Dinopark! Auf jeden Fall hat der sich ebenfalls sehr mondän gebende McDonald die meisten Besucher.

Der Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau ist heute leider getrübt.

Freilich gibt es hier auf dem Weg nach Merligen genügend anderes Hingucker.

Von Lungern bis Iseltwald

(Lungern/Iseltwald, Mitwoch, 13.06.2012)

Am Dienstagmorgen schaue ich beim Frühstücken im Haus St.Josef aus den großen Fenstern des Speisesaal, sehe den ohne Pause vom Himmel fallenden großen Wassertropfen zu, erinnere mich an die Wettervorhersage und beschließe spontan, den Tag im Trockenen meiner Unterkunft zu verbringen.

Am Mittwochmorgen wache ich auf und höre keinen Regen prasseln. Die Wolken sind immer noch präsent, hängen aber nicht mehr so tief. Das Wetter passt zumindest für die nächsten paar Stunden.

Allerdings ist über Nacht aus welchen Gründen auch immer mein linker Knöchel angeschwollen. Und das nach einem Ruhetag! Tatsächlich hinke ich auch etwas. Aber wenn die Muskeln und Sehnen warm gelaufen sind, wird sich das geben. Nichts steht der Tour über den Brünigpass nach Iseltwald entgegen.

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Die Niederschläge der vergangenen Tage lassen auch in Lungern überall die Wasserfälle sprießen. Lungern machte schon ganz andere Erfahrungen. So wurde schon einmal die Kirche und der Friedhof weggespült. Man sieht schon, dass die Hänge schieben. Ich würde mein Haus an manche Stellen eher nicht bauen.

Der Weg zum Brünig verläuft nicht zu steil zunächst parallel zur Eisenbahn. Ich kann meine Füße gut eingehen. Das Zwicken im linken Knöchel ist fast weg.

Später zweigt der Weg ab und erlaubt noch manchen lohnenswerten Blick zurück.

Die Eiszeitgletscher haben das Gebiet hier ausgehobelt und glatt geschliffen.

Der Brünigpass ist erreicht und prompt regnet es auf der anderen Seite. Zwar nur kurz! Aber ich muss durch eine Wiese und bin wieder einmal patschnass.

Auf steilem Weg geht es abwärts nach Brienz ständig begleitet vom Lärm des Übungsbetriebes der Schweizer Luftstreitkräfte, die hier mit ihren F18 rumspielen. Für mich eine schöne Abwechslung!

Der offizielle Jakobsweg führt jetzt offensichtlich über die Westseite. Ich gehe aber auf der Ostseite des Brienzer See bis Iseltwald, weil ich dort ein Zimmer gebucht habe.

Allen Ernstes habe ich in Erwägung gezogen im Stroh zu schlafen. Was ich dann aber sehe, ist eher Schlafen im Scheiß. Im Stall, wo die Kühe normalerweise stehen und mit dem Stoffwechsel beschäftigt sind, ist das Stroh aufgeschüttet, auf dem der Wanderer sein müdes Haupt betten soll. Vor der Wand mit den alten Kotspritzern der letzten Jahre steht ein Bierzelttisch, an dem er am nächsten Morgen sein Frühstück einnehmen kann. Sogar Senf steht in einer Plastikflasche bereit!

Ich bin nun doch über ein reguläres Bett froh. Was ich jetzt nicht weiß, soll es auf absehbare Zeit das letzte in der Schweiz sein.

Hier steht der Wanderer weniger in Schönheit aber noch in voller Pracht und vollem Stolz vor dem Brienzer See.

24 Stunden später um etwa diesselbe Zeit sitzt er schon in einem ICE in rasender Fahrt von Mannheim nach München. In der Nacht hat sich sein linker Knöchel mit starken Schmerzen und Schwellungen unnachgiebig wieder gemeldet. Am folgenden Morgen kann er sich nur mit Müh und Not von seiner Schlafstatt in das schweizerische Postauto und von Interlaken über diverse Bahnsteige und Schienen nach Hause zu seiner lieben Frau retten.

Wieder 24 Stunden später, während er diese Zeilen schreibt mit senkrecht nach oben gestreckten linken Bein auf dem Rücken liegend in der einzig ertragbaren Haltung wartet er auf den Hausarzt, der ihm hoffentlich alles erklärt.