Von Grönenbach bis Wiggensbach

(Grönenbach/Wiggensbach, Mittwoch, 04.05.2011)

Vom Landhotel Grönenbach durch das Ortszentrum direkt auf den Jakobsweg! Nirgendwo eine Muschel, die den Weg weist! Ich folge der auf meinem GPS gespeicherten Route. Nach fünf Kilometern auf der Straße nach Legau dann das erste Zeichen, das mich überraschender Weise auf einen steilen Berg führen will und nicht in das Tal der Iller, auf das ich schon so gespannt war. Zunächst glaubte ich, die Jakobsweg-Strategen schämen sich, die Muschel an einer Autostraße anzubringen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie durchaus verständlich den Weg geändert haben, ohne aber Wegweiser und Informationsmaterial auf den aktuellen Stand zu bringen. Um Altusried verschwindet die gelb-blaue Muschel ganz. An ihre Stelle tritt irgendwas Metallic-Farbenes. Nach einigen Unklarheiten beschließe ich nur noch strikt meinem GPS und anderen Wegweisern nach Altusried und Wiggensbach zu folgen.

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Zunächst mache ich jedoch den steilen Anstieg. Oben angekommen leitet mich die gelb-blaue Muschel sogar mit zwei Pfeilen bald wieder nach unten. Dabei handelt es sich um einen Pfad durch eine mit Stacheldraht eingezäunte Kuhweide, die nur durch ein spezielles Gatter betreten werden kann. Brennnesseln wachsen darin jetzt schon recht gut. Ich betrachte das Jucken an meinen Beinen positiv: „Gut gegen Rheuma!“

Weiter unten hat der Bauer beschlossen, den Bewegungsfreiraum seiner Kühe durch einen Elektrozaun einzuengen. Jedoch baute er damit auch eine Sperre auf dem Jakobsweg. Als ich einen solchen Zaun zu Zeiten der Bundeswehr überstieg, wurde ein Spannungsimpuls gerade dann ausgelöst, als ich den Draht zwischen den Beinen hatte. Ich will meiner müden Muskulatur den Luftsprung ersparen, nehme den Rucksack ab, schiebe ihn unter dem Zaun durch und rolle dann hinterher.

Am Ausstiegsgatter steht dann unvermittelt zunächst hinter Hecken verborgen eine neu erbaute Kapelle. Im Innern noch sehr bescheiden liegt jedoch ein Buch aus, in dem die Leute ihre Freuden, Sorgen und Nöte notieren können.

Dadurch motiviert schreibe auch ich: „Lieber Gott, bitte Verzeih mir all die Verwünschungen, die ich gegen die Planer des Jakobweges gerichtet habe. Es wird schon einen guten Grund haben, dass Du mich hierher geführt hast.“ Später habe ich dann keine Verwünschungen mehr ausgesprochen, sondern bin einfach meinem GPS gefolgt.

So habe ich überraschenderweise die Erste Bürgerbrücke Bayerns über die Iller gesehen, habe die Konflikte mit diversen Hofhunden ohne meinen Stock erfolgreich gelöst, und konnte doch noch eine gemütliche Zeit in Altusried und Wiggensbach verbringen.

Von Engetried nach Grönenbach

(Engetried/Grönenbach, Dienstag, 03.05.2011)

Gleich beim Weggehen in Engetried zeigen sich für den heutigen Dienstag zwei Trends. Der erste: die Steigungen werden länger, und es geht immer höher hinaus. Der zweite: der unterallgäuische Landwirt hat sein Gras eingefahren und beginnt, seine Güllevorräte auf die Wiesen zu schütten. Der damit verbundene aromatische Geruch dringt noch am Abend in meine Unterkunft in Bad Grönenbach.

Die Ausnahme ist Ottobeuren. Nicht nur geruchsmäßig! Die dortige Basilika ist schon eine atemberaubende Pracht.

Ich genieße für ein paar Stunden die Rückkehr in die Zivilisation. Auf einer Bank vor der Basilika schaue ich auf das Treiben auf den Marktplatz. Da fällt mir ein, dass ich meine Unterkunft noch buchen muss und hole mein Netbook aus dem Rucksack. Die staubigen Wanderstiefel, der große Strohhut auf dem verschwitzten Kopf, das Netbook mit UMTS-Stick auf dem Schoß, das GPS und die Digicam daneben auf der Bank stehen offensichtlich im Kontrast zu den Erwartungen der Passanten an einen Pilger. Für kurze Zeit drohe ich eine Touristenattraktion zu werden. Dabei hat das ganze einen rationalen Grund: meine Ausrüstung wiegt nicht mehr als Landkarten und ein dicker Reiseführer.

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Am Schluß gegen Grönenbach zu in einem eiszeitlichen Urstromtal wird die Luft feuchter. Unter den subtropischen Bedingungen fließt der Schweiß in Strömen. Zudem beginnt zum ersten Mal seit langer Zeit ausgerechnet jetzt eine Blase am rechten Fuß zu zwicken. Nur eine unglaublich tiefe Kiesgrube lenkt ab. Gott sei Dank bin ich nahe am Tagesziel.