Von Saint-Chély-d’Aubrac bis Espalion

(Saint-Chély-d’Aubrac/Espalion, Samstag, 24.06.2017)

Für meine Verhältnisse sehr früh breche ich nach Espalion aufGil sitzt nicht mehr am Kastanienbaum, sondern hat sein Lager in den Aufenthaltraum des Campingplatzes verlegt, von wo er nun an eine Wand gelehnt und eine Decke gehüllt bewegungslos auf die Welt schaut.

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Die Dorfmitte von St.Chely wird aufgepepellt.Höchste Zeit!

Ein paar Meter weiter an der Brücke über den Boralde auf wenigen Quadratmeter ein Kleinod!

Am Friedhof vorbei geht es leicht ansteigend in den Wald bis L’Estrade. Ich treffe Mutter und Tochter aus Voralberg, die ich aufgrund des Dialekts für Schweizerinnen halte. Minutenlang beteuern sie wie glücklich und stolz sie sind, Österreicherinnen zu sein, und sie nie etwas anderes sein wollten.

In L’Estrade ist auf private Initiative ein Aire eingerichtet, wo sich der Wander versorgen kann. Herzlichst willkommen an jeder anderen Stelle ist es nach den paar Metern aber jetzt doch noch zu früh, eine Pause einzulegen. Prophylaktisch fülle ich mich nur mit Wasser auf bis es aus dem Hals schwappt.

Heute ist aber wirklich ein Supertag. Der Samstag fühlt sich wegen der tiefen Stille an wie ein Sonntag. Es ist warm, aber nicht heiß. Der Himmel ist noch bedeckt: Keine direkte Sonne, mein Lieblinswetter!

Die weniger Kilometer von gestern tun meinen Beinen gut. Ich bekomme gar Lust auf Joggen. Juhu! Ich werde von Tag zu Tag fitter.

Ein Wander nach dem anderen wird überholt. Bis auf einen! Der versucht auf Teufel komm raus, mir davon zu laufen. Soll er doch! Doch genau so schnell er gelaufen ist, schlägt er einen Haken, setzt sich hin und macht eine Pause. Das hätte er auch bequemer haben können! Morgen wird er übrigens das Gleiche machen.

Den nun folgenden Abstieg bewältige ich tatsächlich oft in leichten Trab verfallend. Die Idee dabei: wandle die potentielle Energie in kinetische Energie, statt sie durch Abfederung zu verschwenden und die Oberschenkel zu belasten.

Meinem Vorwärtsdrang wird durch Vroni und Thomas aus Stammham Einhalt geboten, die in der Talsohle eine Pause machen. Die beiden brechen morgens als erste auf und sind oft die letzten, die am Nachmittag am Zielort ankommen.

Nachdem üblichen Getratsche nehmen wir zunächst gemeinsam die Gegensteigung nach La Roziere in Angriff. Bald ist aber von den beiden nichts mehr zu sehen. Sie gehen ganz einfach den ihnen passenden Rhythmus.

Unten im Tal des Lot hebt sich schon St.Come d’Olt ab. Die gewundenen Kirchtürme und die engen winkligen Gassen darunter versetzen einen in die Welt von Hary Potter. Es fehlen nur die fliegenden Besen. Vor der Kirche treffe ich Roswitha, die mir bei der Rast von ihren Begegnungen und Erlebnissen in den letzten paar Stunden erzählt.

Über die Brücke geht es über den Lot schon auf den letzten Teil der Etappe nach Espalion. Daneben liegt ein schöner schattiger Campingplatz, zu dem wir später mit dem Van zurückkehren.

Ich folge der Ausschilderung des GR65, der mal wieder prompt vom Tal in die Höhe führt. Will man nicht zur Eglise de Perse, kann man sich den Aufstieg sparen.  Das tue ich nicht und komme trotzdem nicht dorthin, weil ich an einer Kreuzung mit dubioser Wegweisung die falsche Alternative wähle und zu früh ins Tal absteige. Das ist nicht nur wegen der paar hundert Höhenmeter extra ärgerlich, sondern insbesondere entgeht mir der schaurig schönen Ort, an dem der Heiligen Hilarius nach seiner Enthauptung durch die Sarazenen den Kopf unter den Arm nimmt, ihn an einer Quelle wäscht, und sich dann zu seiner Bestattung hinlegt.

Die Stellplätze in Espalion sagen uns nicht zu und wir kehren nach St.Come zurück. Auf der Straße dorthin begegnen uns die Pilgerkollegen, die so clever sind, nicht den GR65 zu nehmen.  Bei ihrem erbärmlichen Anblick wäre das auch nicht ratsam. Ich überlege kurz, sie alle in den Van zu setzen und sie zu ihrem Ziel zu transportieren. Der Stolz und die Ehre eines Pilgers lässt das aber nicht zu.