Von Donauwörth bis Biberbach

(Donauwörth/Biberbach, Samstag, 12.02.2011)

Zur nächsten Etappe meiner Wochenendpilgerfahrt zum Finis Terrae kehre ich nach Donauwörth zurück. Dieses Mal von München aus, wieder mit der Deutschen Bahn, aber pünktlich! Am Abend soll es dann wieder zurückgehen, und das heißt: nach der regulären Ankunft in Biberbach auf dem Augsburger Jakobsweg noch ein Marsch zur nächsten Regional-Express-Haltestation nach Herbertshofen!

Für richtiges Pilgern ständig weg von den gewohnten Lebensmittelpunkten fehlt die Zeit: irgendwie muss das tägliche Brot verdient werden. Leider gibt es einem der Vater unser im Himmel nicht von sich aus. Und schließlich habe ich ja auch noch meine liebe Frau. Sie würde mich nur allzugerne begleiten, was ihr verletzungsbedingt nicht möglich ist. Ihre Kommentare zu meinen Alleingängen werden leider zunehmend kritischer.

Donauwörth – Rieder Tor

Donauwörth ist ein hübsches Städtchen. Ich mache deshalb bewusst einen kleinen Umweg vom Bahnhof durch das Reichstor und die Innenstadt zum eigentlichen Ausgangspunkt der Etappe, der Brücke am Hotel Donau. Über meinen Arbeitsgeber bin ich mit dem Ort latent verbunden. Langezeit ohne Bedeutung wird dies aufgrund seiner strategischen Absichten zum Wohle des Unternehmens dramatisch. Eigentlich dürfte es mir hier nicht gefallen! Vielleicht wird alles gut.

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Bis Mertingen zieht sich der Weg über die flurbereinigten Ausläufer des westlichen unteren Urlechtales. Nicht nur ein Leidensweg wegen der schneidenden Kälte!

Danach eine Andeutung von Landschaft mit Hügeln, Busch- und Baumgruppen. Die Schmutter hat sich tief eingegraben. Offensichtlich ist es nicht gelungen, das dazugehörige Steilufer einzuebnen. Labsal für die Seele! Bei Druisheim wird dann sogar eine Fischsteige neu inszeniert. Hat das mal wirklich hier so ausgesehen?

Bis zum Kloster Holzen führt der Weg dann freilich wieder an kanalisierten Gewässern entlang. Doch dort tauche ich in eine andere Welt. Vorbei an dem kleinen Nonnenfriedhof mit seinen bescheidenen Holzkreuzen führt nur eine einzige Spur im Tage alten Schnee den Treppenaufgang hoch. Keine einzige Menschenseele auch im großen Klosterhof! Vergeblich suche ich bei einem Rundgang nach Menschen in dieser baulichen Pracht. Der einladende Klosterbräu beweist, dass hier meistens mehr los sein muss. Aber jetzt ist nur Stille! Momentan gehört das Kloster mir ganz allein!

Kloster Holzen

Beim Öffnen der Kirchentüre flutet Helligkeit. Die unbemalten Figuren aus Porzellan reflektieren das Licht aus den Fenstern und verteilen es im Kirchenschiff im Gegensatz zu vielen Räumen ähnlicher Art, bei dem man glaubt, ein Reich der Finsternis zu betreten. Selten hat mich ein Kircheneintritt so beeindruckt. Um so überraschter bin ich, dass dieser Leben verheißende Raum auf den zweiten Blick nichts anderes ist als eine Reliquienstatt. In jedem Seitenaltar befindet sich ein prachtvoll bekleidetes Heiligenskelett oder eine Flächen füllende Knochencollage. An sich haben diese Dinge etwas Verstaubtes und Muffiges. Dieser Raum gibt ihnen Frische. Selten habe ich mich in der Nähe von Leichenteilen so wohlgefühlt. Bisher hatten mich immer nur die Jahrhunderte alten, gut erhaltenen Heiligenzähne im Kontrast zu den meinigen beeindruckt.

Kloster Holzen – Kirche

Beim Verlassen der Kirche ist immer noch keine Seele zu sehen. Ich gehe aus dem Hof, um den Weg an der Klostermauer entlang nach Süden fortzusetzen. Wären da nicht plötzlich drei grinsende Gestalten mit einem Leiterwagen auf mich zugeschossen, hätte ich den Besuch auf Kloster Holzen abgeschlossen, ohne jemanden zu sehen. Sie sind genauso überrascht und erfreut wie ich. Drei Behinderte aus dem nahen Heim sind offensichtlich mit einem wichtigen Transport beauftragt.

Im Tal geht es weiter. Kurz vor Blankenburg sehe ich auf einer Koppel Maultiere stehen. Tatsächlich überlege ich mir ein solches zuzulegen. Es könnte meinen Rucksack tragen. Zusätzlich könnte es ein Zelt tragen, und mir die Hotelkosten oder die Übernachtungen in Refugien ersparen. Spinnen muss erlaubt sein!

Blankenburg – Esel

Zur imposanten Burg Markt geht es wieder bergauf. Doch ein pflichtbewusster Golden Retriever verwehrt mir den Zugang zu dem Gemäuer. Neugierig kommt er aus seinem Hoheitsgebiet, genießt meine Streicheleinheiten. Als ich ihm den Hals kraule, legt er sich sogar auf den Rücken. Ich glaube ihn auf meiner Seite und versuche mit ihm ihn streichelnd auf das Burggelände zukommen. Doch Pech gehabt! Genau im Torbogen baut er sich wieder laut bellend vor mir auf. Ich gebe auf und lasse ihm seinen unbestechlichen Willen!

Burg Markt – EIngang
Burg Markt

Beim Blick zurück auf die Burg Mark stellt sich die in Bayern wichtige Frage, ob der Wachturm oder der Kirchturm höher ist. Das ungeschriebene Gesetz lautet, kein anderes Gebäude darf einen katholischen Kirchturm überragen. Das scheint hier anders zu sein.

Dann liegt auch schon Biberbach vor mir. Lang zieht sich der Weg zur Wallfahrtskirche. Um geistig anzukommen verweile ich dort eine längere Zeit.

Der weltliche Teil sollte im Anschluss im benachbarten Gasthaus erfolgen. Nach einem Tag an der frischen Luft will ich mir eine Gaststube hinter vergilbten Gardinen nicht antun. Zumal eine Nahrungsaufnahme nicht erforderlich erscheint, mache ich mich direkt auf den Weg nach Herbertshofen und München.

Von Rennertshofen bis Donauwörth

(Rennertshofen/Donauwörth, Samstag, 27.01.2011)

Auf zur fünften Etappe Finis Terrae! Raus aus Rennertshofen, an Bertoldsheim vorbei, durch Neuhausen, Schweinspoint und Kaisheim hindurch nach Donauwörth hinein.

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Der flurbereinigte Ackerbau nördlich von Bertoldsheim lässt wenig Pfähle oder Stämme für die Jakobsweg-Markierungs-Muschel. Es braucht entweder ein wenig gesunden Menschenverstand oder wie bei mir ein GPS, das einen auf den rechten Weg führt. Am Schluß hat auch die größte bisher gefunden Markierung an einem Strommasten ein wenig geholfen!

Bertholdsheim – Markierung

Trotzdem gelange ich durch Neuhausen nach Schweinspoint mit seinem Johannesstift mitten in der Landschaft. Der Traktorverkehr bei meiner Ankunft ist auffallend. Das ganze Dorf scheint unterwegs. Die große Ansammlung in der Ortsmitte halte ich für die Verabredung zu einer Treibjagd. Hoffentlich nicht auf Wanderer! Später überholt mich der Tross von bestimmt mehr als zwanzig Dieselrossen am Ortsausgang und ich fürchte schon, dass mein Weg durch das Jagdgebiet ihrer Wahl führen wird. Im Wald treffe ich tatsächlich wieder auf die Gesellschaft. Aber nicht beim Treiben, sondern beim gemeinschaftlichen Sägen, Hacken, Pflöcken, Holzschlichten! Und das mit einen Eifer, als ob sie dafür direkt in das Himmelreich eingingen. Funktionierende Dorfgemeinschaft bei der Pflege des gemeinsamen Eigentums? Fortführung des mittelalterlichen Frondienstes für das Kloster???

Schweinspoint – Treiben im Wald

Es wird jetzt immer kälter und ich beginne, in den Fingern zu frieren. Jetzt beschäftige ich mich nur mit der Frage, soll ich meine Handschuhe anziehen oder nicht? Ich entscheide mich am Schluß für Nein, weil ich ansonsten anhalten müsste, um sie aus meinem Rucksack zu holen.

Nach Kaisheim führt der Weg wiederum über kilometerlange, schnurgerade Forstwege. Mit den Erfahrungen der letzten Etappen rätsle ich über die Kriterien bei der Auswahl der Route für den Ostbayerischen Jakobsweg. Auf jeden Fall freue mich ab sofort überjeden Nicht-Forst-Kilometer.

Denn Forst ist nicht Wald! Der Ostbayerische Jakobsweg ist nicht historisch gewachsen. Er ist auf der Landkarte designed, mit dem Ziel dem lokalen Tourismus auf die Beine zu helfen. Das ist legitim. Trotzdem braucht eine Pilgerroute auf die Dauer ein Charisma. Die Zukunft wird zeigen, ob diese Route es entwickelt.

In Kaisheim befindet sich auf dem ehemaligen Klostergelände ein Gefängnis. Kontraste wie dieser mögen dabei behilflich sein.

Kaisheim -ehemaliges Kloster
Kaisheim – Blick zurück

Nach Donauwörth ist der Forstweg natürlich die erste Wahl! Die Ankunft dort ist ein freudiges Ereignis. Der erste kleine Meilenstein ist erreicht und wird im Goldenen Hirschen mit einem schwäbischen Gericht aus Zwiebelrostbraten mit Käsepatzen gefeiert. Wirklich Klasse war der anschließende Eiskrapfen und die überbackenen Marzipanzwetschgen als Nachspeise.

Donauwörth

Bald soll es auf dem Augsburger Jakobsweg weitergehen.

Von Riedenburg bis Altmannstein

(Riedenburg/Altmannstein, Samstag, 01.01.2011)

Von Riedenburg nach Altmannstein führt meine erste Etappe auf dem Weg zum Finis Terre.

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Dorthin sind es grob geschätzt 2000 km. Bei 25 km pro Tag wird man also 80 Tage benötigen. (Nachtrag: eher sind es 3000 km und 100 Tage)

Das geographische Ende will ich natürlich vor meinem biologischen Ende erreichen. Laut dem Rechner einer Versicherungsgesellschaft beträgt meine Lebenserwartung zur Zeit noch 35 Jahre. Da das Ziel nur per pedes erreicht werden darf, und deshalb ein Minimum an köperlicher Belastbarkeit möglich sein muß, scheinen die nächsten 20 Jahre für die Durchführung mit dem Abschluß in 2030 realistisch.

Pro Jahr müssen also vier Tage eingeplant werden. Als Sicherheitszuschlag wird ein zusätzlicher Tag gewährt. Fünf Tage im Jahr ist mir das Erreichen des Ziels auch in Anbetracht anderweitger Verpflichtungen schon wert.

Zweckmäßigerweise beginnt eine Reise an das Ende der Welt am Ort eines Anfangs. In Ermangelung eines Besseren soll dies der Ort sein, an dem ich auf diese Welt kam: dem ehemaligen Riedenburger Kreiskrankenhaus und jetzigem Kurhaus.

Hinter den Mauern im ersten Stock befand sich der Kreissaal. Früher war da auch noch ein Fenster, von dem zum Beispiel die Hebamme uns auf der Straße wartenden Kindern mitteilte, dass wir ein „neues Brüderlein“ hätten. Spurlos verschwunden!

Durch Riedenburg geht es über den tiefverschneiten alten Bahndamm nach Altmannstein.

Rosenburg

Der viele Schnee macht nicht nur den an sich leichten Weg zu einer Strapaze, sondern auch die gewohnten Wahrzeichen zu einem besonderen Anblick.

Schambach
Hexenagger
Altmannstein

Von Altmannstein geht es in den nächsten Tagen weiter auf dem Ostbayerischen Jakobsweg nach Donauwörth.