Von Burgos nach Hornillos-del-Camino

(Burgos/Hornillos-del-Camino, Freitag, 18.09.2020)

Nach technischen Schwierigkeiten mit dem Ladezustand meines Handies verlasse ich heute das mondäne Burgos in Richtung des rustikalen Hornillos-del-Camino erst am späten Vormittag. Meine Fahrerin sieht ohne funktionierende Kommunikationsmittel keine Möglichkeit, die mobile Hütte sicher zum Zielort zu bringen. Beim Warten auf das Öffnen eines Phoneshops zum Neukauf eines Ersatzes löst sich das Problem durch den zufälligen Austausch des Ladekabels aber von selbst.

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An einer roten Ampel in der Nähe des Stadttors schmeißt sich mich aus dem Fahrzeug.

Burgos, Stadttor

Auf dem Weg zur Kathedrale machen alle Passanten mit vorwurfsvoller Miene einen großen Bogen. Ja, ich habe wieder einmal vergessen, eine Maske aufzusetzen. Die Städte und Dörfer nehmen das schon ernst. Wenigstens habe ich einige dabei, um diese Nachlässigkeit sofort zu beheben.

Beim Eintreffen fängt es zu Giessen an. Wie an Schnüren aufgehängt fallen die großen Tropfen auf die weißen Bodenplatten vor der Kirche, nur um wieder bis über die Knie hoch zu spritzen und in einem sich langsam aufbauenden See den ganzen Platz mit konzentrischen Mini-Tsunamis zu übersäen. Noch macht das Ganze wirklich Spaß!

Ich spanne meinen Schirm auf, der auch wirklich guten Schutz bietet. Wirklichen Bock ihn die ganze Zeit zu tragen, habe ich aber nicht. Da macht das Ganze schon weniger Spaß!

Nach der Hälfte des Weges bei Tardajos hört der Regen nachhaltig auf. Im Ort ist ein kleiner Rastplatz, einigermaßen trocken und gut geeignet für eine kurze Trinkpause! Nach einigen Schluck Wasser vermisse ich mein Garmin, das routinemäßig bei solchen Gelegenheiten immer rechts neben mir liegt. Nicht da! Auch sonst nirgendwo!

Ich muß es nach dem Aufsetzen der Maske am Ortseingang auf einer Mauer etwa zweihundert Meter entfernt vergessen haben. Ich kehre sofort zurück: nichts!

Ich suche die Strecke einmal ab, ich suche sie zweimal ab, ich suche sie dreimal ab: kein Navigationsgerät. Auch kein Mensch, der es gefunden haben könnte, oder den ich hätte fragen können. Ich werde mich mit seinem Verlust und insbesondere den darauf gespeicherten Recordings abfinden müssen.

Leicht deprimiert setze ich meinen Weg fort. Bald hole ich eine junge Frau ein. Weil sie so nett lächelt, muß sie sich jetzt mein Dilemma anhören. „Do You speak English?“, nehme ich Kontakt auf. „Wir können auch Deutsch sprechen!“, antwortet sie mit einem leicht französischen Akzent. Sie stammt aus der Bretagne, hat gerade ihre Masterarbeit in einem Wirtschaftsstudium beendet und nimmt jetzt eine Auszeit von Big Data und Number Crunching.

Ja, und sie kennt sie Regensburg: eine deutsche Freundin studiert dort Kirchenmusik.

Ja, und sie war für neun Monate in Altötting: das war die schönste Zeit in ihrem Leben, nur etwas zu viel gebetet.

Ja, und sie ist Katholikin: Auferstehung und Ewiges Leben.

Nein, und sie ist keine Nonne: das geht nicht so einfach, dazu wird man berufen, das ist bisher nicht geschehen.

Ja, und ich bin erstmal sprachlos und meine dann : „Der liebe Gott möge noch lange mit der Berufung warten“. Belustigt antworted sie: „Com si com ça!“

Mit der Ankunft im braunbunten Hornillos mit dem spröden Charme seiner glatt betonierten Hauptstrasse trennen sich unsere Wege. Gerade recht bevor es zu persönlich wird.

Hornillos-del-Camino, Haupstraße

Ja, und mein Garmin GPS ist vergessen, ohne es jemals anzusprechen.

Morgen ist eine neue Etappe! Neues Spiel! Neues Glück! Ich bin schon gespannt!

Von San-Juan-de-Ortega nach Burgos

(San-Juan-de-Ortega/Burgos, Donnerstag, 17.09.2020)

Es ist noch Dunkel als ich vom idyllischen San-Juan-de-Orthega aufbreche, um ja vor dem heißen Nachmittag in Burgos anzukommen. Das ist heute eigentlich nicht notwendig, denn die Temperaturen sind über Nacht deutlich gefallen.

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Mein Coach will mich ohne Taschenlampe nicht ziehen lassen. Des lieben Frieden Willens nehme ich sie mit. Habe aber nicht vor, sie zu gebrauchen. Das klappt zunächst auf der Teerstraße ganz gut. Im folgendem wunderbar riechenden Kiefernwald sieht man die Hand aber vor den Augen nicht. Prompt stolpere ich da in eine Pfütze und stehe bis über die Knöchel im Wasser. Es scheint doch vorteilhaft, den Weg zu beleuchten.

Bei Agés hole ich dann die zwei Wohnmobil-Französinnen ein. Auch sie sind in einer mobilen Hütte unterwegs, dem ganzen Stolz des Ehemannes einer der beiden, der sich allein auf das Fahren und rund-um-Uhr Pflege konzentriert. Seit Tagen parken sie an den gleichen Plätzen wie wir. Haben wohl die gleiche App. Unsere Unterhaltungen nur mit Händen, Füßen und sonstigen Körperverrenkungen sind leider nicht sehr ergiebig. Ich werde sie in Burgos wiedersehen. Und obwohl ich sie jetzt überhole, werden sie vor mir dort sein.

Ich komme an Atapuerca, dem Fundort der 800.000 Jahre alten Überreste eines der ersten Europäer vorbei.

Ich steige den Matagrande hoch und fühle mich angesichts des den heimatlichen Jurariffen ähnlichen Kalkgesteins wie zuhause.

Während des sogenannten Markierungskrieges werden die Pfeile für den kürzesten Weg im Abstieg entfernt. Der Pilgerstrom fließt nun über Villalval, Cardenuela und Orbaneja und mag die ein oder andere Bar dort erst rentabel machen.

Über die Startbahn des Flughafens könnte man ebenfalls gut abkürzen. Ein Zaun macht dies leider unmöglich.

Vor einer Bahnbrücke in Villafria schließe ich bis auf ein paar Meter zu einer Dreiergruppe auf. Auf der anderen Seite ist sie spurlos verschwunden! Zunächst bin ich etwas irritiert. Dann setze ich meinen Weg parallel zur N-120 fort. Vereinzelt tauchen auch wieder gelbe Pfeile auf. Aber weit und breit ist niemanden mit einem Rucksack zu sehen.

Dafür komme ich bei Bridgestone vorbei und darf die Dämpfe der Gummikleber wie vom Fahrradreifenflicken bekannt nur in einer höheren Konzentration inhalieren.

Google Maps alarmiert, bis zum Van ist es nicht mehr weit und führt mich hin.

Tatsächlich hat der Coach einen Superstellplatz für eine Stadtbesichtigung am Nachmittag und eine Übernachtung nur ein paar hundert Meter from Zentrum entfernt gefunden.

Von Belorado nach San-Juan-de-Ortega

(Belorado/San-Juan-de-Ortega, Mittwoch, 16.09.2020)

Weil es am ursprünglich geplanten Übernachtungsplatz direkt an der N-120 zu laut ist, haben wir diesen in die ruhigen Berge des Hinterland verlegt. Wegen der notwendigen Rückfahrt starte ich relativ spät von Beldorado nach San-Juan-de-Ortega.

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Just in dem Moment als ich meinen Rucksack aufnehme, kommt Daniel vorbei. Wir werden den Weg gemeinsam gehen und uns gegenseitig lustige und weniger lustige Geschichten aus unserem Leben erzählen.

Die ersten drei Viertel des Weges ist der Lärm der Lastkraftwagen auf der N-120 unser ständiger Begleiter. Als wir dann bei Villafranca auf die Montes de Oca aufsteigen, fehlt uns etwas. Nach einer kurzen Besinnung stellen wir fest, es ist der Lärm. Es ist ganz ruhig hier! Die Ruhe tauschen wir aber gegen ein happiges Auf-und-Ab.

Wir kommen an einer kleiner Hochfläche vorbei, die sich im Spanischen Bürgerkrieg optimal dazu geeignet haben mag, ein paar hundert Regimegegner hinzurichten und zu verscharren.

Weiter führt der Weg auf sandigen Untergrund durch einen ausgedehnten Kiefernwald.

Die breite Schneise assoziieren wir mit einer Panzerstrasse auf einem deutschen Truppenübungsplatz. Natürlich wird sie eher dem Brandschutz dienen.

San Juan besteht aus einem Kloster mit Pilgerherberge und ein paar Bars. Sehr überschaubar, aber gerade deshalb sehr sympathisch und ideal sich von den Anstrengungen des Tages zu erholen.

Von Santo-Domingo nach Belorado

(Santo-Domingo-de-la-Calzada/Belorado, Dienstag, 15.09.2020)

Starker Regen verhindert den Abmarsch zu früher Stunde von Santo Diego nach Belorado. Die starke Abkühlung wird die Mittagshitze reduzieren.

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An der Brücke eines ausgetrockneten Flusses geht es weiter nach Westen. Mit den Sehenswürdigkeiten ist es dann auch schon vorbei bis zum Ziel.

Viele neue Gesichter tauchen heute auf. So treffe ich zum ersten Mal nach zehn Tagen Daniel aus Würzburg, obwohl er exakt den gleichen Etappenplan folgt wie ich. Was kleine Änderungen des Startzeitpunkt bewirken können!

Der spanische Landwirt übt sich im Bau von Hochhäusern aus Strohballen, um die Ackerflächen frei zu bekommen. Die meisten werden verrotten, um dann in ein paar Jahren wieder eingeackert zu werden.

Zum Schluß geht es Kilometer direkt entlang der N 120. Die Fernfahrer wünschen den Pilgern mit lautem Hupen Buon Camino. Ansonsten heißt es bildlich Augen zu und durch!

Belorado am Schluß hingegen ist durchaus ein schmuckes Städtchen. Das Rasten auf dem Marktplatz macht vieles vergessen.

Von Nájera nach Santo-Domingo

(Nájera/Santo-Domingo-de-la-Calzada, Montag, 14.09.2020)

Wunderbar ist es in finsterer Nacht, die historischen Mauern von Nájera zu durchstreifen! Nur ein Müllmann, der die Papierkörbe entleert, und meine Wenigkeit sind schon unterwegs. Hinter dem hohen Nájera -Berg sind zwei mit Taschenlampen herumfuchtelnde Italiener (wie sich später herausstellt) kilometerweit auf dem Weg nach Santo-Domingo zu erkennen. Ein Kaninchen quert den Weg von einem Weinfeld zum anderen und freut sich, die Treibjagd am Wochenende überlebt zu haben.

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Allerdings tauche ich dann in Alesanco statt wie geplant in Azofra auf. Zwar gab es durchaus eine Möglichkeit abzuzweigen. Jedoch kein gelber Pfeil forderte dies. So bleibe ich auf dem breiteren Weg.

Neben ein paar hundert Meter zusätzlich sehe ich nun statt dem angeblich weltberühmten Pranger von Azofra den schrägen Kinderspielplatz von Alesanco.

Zurück auf dem Camino vor dem wahrscheinlich schweißtreiben Anstieg nach Ciruena ersetzen ordinäre Getreidefelder die edlen Weinanbauten.

Oben angekommen überrascht das Grün eines Golfplatzes den verstaubten Pilger.

Daran schließen sich Raum- und Stil optimierte Siedlungen für Neureiche, die hier ihren Lebensabend verbringen können. Ein Friedhof ist als grüne Lunge in Planung. Tip: großer Leerstand!

Nach einer kleinen Höhenwelle bin ich auch schon überraschend frisch und noch vor dem Mittag in Santo Domingo de la Calzada.

Ich will die Hühner zur Erinnerung an das berühmte Wunder in der Kathedrale besichtigen. Ich gebe das Vorhaben angesichts der gesalzenen Eintrittspreise auf und investierte das Ersparte in eine Paella!