Vor Moratinos dienen Lehmhöhlen der Behausung. Genaues über den Ursprung ist unbekannt. In jedem Fall sollen die Innenraumtemperaturen über den Sommer angenehm kühl sein.
Beim Eintreten in Nicolas glaubt man ein verlassenes Dorf: in jedem Haus die Rollläden herunten. Einzig aufwendige Haustüren und allgegenwärtige Mülltonen überzeugen vom Gegenteil.
Ja, und die Kirche scheint auch noch benutzt zu werden.
Am Ortsausgang kommt die Area de Decandos gerade recht für eine Pause aufgrund verschiedener Wehwehchen.
Die ersten Frühlingsposten und Sahagún am Horizont mit seinem in strahlendem Weiß alles überragenden Getreidespeicher steigern die Stimmung trotz aufwallender Blasen.
Argwöhnisch nehme ich kurz vor der Stadt den kurzen Umweg zur Ermita de la Virgen del Puente mit der Brücke aus dem Mittelalter in Kauf. Aber es hat sich gelohnt!
Auf der Suche nach meiner mobilen Unterkunft erlebe ich Sahagún als sehr emsige Stadt.
Die Nacht darf ich direkt auf dem Parkplatz neben dem riesigen Eingangsbogen des alten Klosters verbringen.
In Villalcázar-de-Sirga kurz vor Carrion-de-los-Condes started die Etappe und ist bei Abadia-de-Benevivere kurz dahinter wegen gefährlicher Blasenbildung auch schon wieder zu Ende. Einen Tag später geht es von dort nach Ledigos.
Dazwischen liegt Carrión mit engen Gassen und einer langen Brücke.
Carriol, Brücke
Carrión hat einen kostenlosen Wohnmobilstellplatz ohne Strom und mindestens drei Apotheken ohne Blasenplaster.
Die Gerade endet kurz vor dem schlichten Ledigos mit einem sanft gewundenen Abstieg in ein Tal und einen schönen Ausblick auf die entfernte nördliche Gebirgskette mit frischem Neuschnee. Die Überbleibsel der alten N120 bietet einen guten Übernachtungsplatz für unsere mobile Hütte. Menschen sieht man kaum. Ein Hund und eine Katze finden uns sehr interessant.
Vor 18 Monaten reicht es nicht bis Frómista. So gilt es, das Stück ab Bodilla-del-Camino nachzuholen. Ich will es am ersten Tag nicht übertreiben und vor Carrión-de-los-Conde stoppen, um meine Fußsohlen zu schonen. Dann komme ich doch bis Villalcàzar-de-Sirga.
Auf den braunen Betonstraßen geht es durch das auch morgens schläfrige Boadilla zum Canal di Castilia, der vor 250 Jahren gebaut wurde, um Getreide zu transportieren
Boadilla, Canal di Castilia
Überraschend schnell geht es auf dem Treidlweg entlang bis zur Schleuse nach Frómista. Mein rechtes Knie und der linke Ischias scheinen keine Schwierigkeiten machen zu wollen. Die warme Frühlingsluft sorgt für Hochstimmung.
Frómista mit seiner Pilgergastronomie ist noch im Winterschlaf. Zur viel gerühmten Kirche gibt es mal wieder keinen Zugang. Somit gibt es keinen Grund länger zu verweilen
Schon taucht Població-de-Campos am Horizont auf. An der Ermita de San Miguel ist Mittagspause im Kastenwagen angesagt.
Ermita de San Miguelaus dem Kastenwagen
Eigentlich wollte ich hier schon mein Nachtlager aufschlagen. Aber weil es gut läuft, packe ich nochmal zwei Stunden bis Villalcàzar-de-Sirga dazu. Ich benutze den neu ausgeschilderten, sogenannten noch schöneren Weg entlang einem Flüßchen. Leider ist er auch etwas länger und strapaziert damit meine Sohlen. Ich treffe auf acht Störche, einen Traktorfahrer und kurz vor dem Ortseingang einen Rollstuhlfahrer, der sich mit seinem Hightechgerät per Sprachsteuerung auf den offensichtlich meist verkehrslosen Straßen sicher austoben darf.
Bei der Tempelritter-Kirche Santa Maria la Blanca ist dann Schluss für heute. Leichtsinnigerweise mit dem doppelten Pensum!
Es ist kalt in Castrojeriz an diesem Sonntagmorgen! Es hat die ganze Nacht geschüttet. Wahrscheinlich wird es den ganzen Tag so weitergehen. Normalerweise setzt niemand an einem solchen Tag den Fuß vor die Wohnmobiltür. Insbesondere dann nicht, wenn er schon erkältet ist!
Auf dem Jakobsweg gelten anderere Gesetze: immer vorwärts!
Immerhin starte ich heute in langer Hose und Softshelljacke. Mein großer Aluregenschirm muß mich vor der Nässe schützen! Ein Regencape kommt nicht in Frage. Ich hasse die sich darunter anstauende Feuchtigkeit des Schweißes! Wenn schon nass, dann nur von außen!
Auf geht’s nach Frómista mit wenig Lust. Werde aber nur bis Boadilla-del-Camino kommen …
Überraschend lange zieht sich der Weg durch Castrojeriz zu Fuße des imposanten Castillo entlang, Kirche an Kirche! Ich bin beeindruckt.
Dann gilt es, den Tafelberg Alto de Mostelares zu erklimmen. In der Hoffnung etwas Wärme in meinen Körper zu pumpen, nehme ich die steile Rampe freudig an. Leider nimmt mit jedem Höhenmeter die Intensität der Niederschläge zu. Es fordert einigen Aufwand und Geschick den durch die Taubeneier großen Regentropfen erzeugten Druck auf meinen Schirm auszugleichen. Das gelingt ganz gut, trotzdem dringt mehr und mehr Feuchtigkeit auf der linken Körperhälfte bis auf die Haut vor. Der Kilometer weite Blick über abgeerntete Getreidefelder auf der Hochebene vermag nur kurz über die schleichende Auskühlung hinweg zu trösten.
Nach zwei Stunden hört der Regen auf! Ich benutze die Gelegenheit zu einer kurzen Rast auf einer kalten Steinbank. Da hätte ich mich mal besser nicht hinsetzen sollen!
Die Kapelle Nicolas heitert etwas später nur wenig auf.
Am Ortsausgang von San-Itero-de-la-Vega verspüre ich plötzlich kolikartige Schmerzen in der Nierengegend. Wegen dem Pilgerpärchen hinter mir, war es nicht möglich zu pinkeln. Da ist der Blaseninhalt wohl in die Niere geschwappt. Gott sei Dank sind die größten Schmerzen nach einigen Minuten vorbei. Ein Druckgefühl bleibt.
Noch muss ich mich zwei Stunden nach Boadilla zum Wohnmobil schleppen. Die Luft ist raus!
Zu allem Überfluss fängt es wieder aus allen Kübeln zu regnen an. Ein vernünftiges Gehen ist auf den verschlampten Lehmwegen nicht möglich. Tatsächlich bieten die Stoppeln auf den abgeernteten Feldern mehr halt. Bequem ist anders!
In Boadilla ist dann erstmal Schluss. Was werden meine Eingeweide in den nächsten Stunden so machen?
Unseren Van parken wir gestern bei der Ankunft in Hornillos-del-Camino bei der Zufahrt zu einem Feldweg an einer Gartenmauer. Dann hören und sehen wir niemanden und nichts mehr bis zum Morgen. Kein Hund! Kein Hahn! Was treiben die Bewohner hier?
Nur Windböen schütteln unsere Schlafstätte ab-und-zu. Vereinzelt prasseln Regenschauer auf unser Dach. Das bringt mich dann doch dazu, meinen Regenschirm gegen alle inneren Widerstände auf den Weg nach Castrojeriz mitzunehmen.
Das ist gut so. Denn es fängt kurz nach Verlassen der Ortschaft zu duschen an.
Bald taucht der erste wasserdicht verpackte Pilger auf. Er schleppt seine Habseligkeiten in einem Anhänger. Schaut fast nach einem Dauerpilger aus.
Vereinzelte graue Steinhaufen inmitten von lange abgeernteten Getreidefeldern (eigentlich ein großes Feld) auf grauem Lehmgrund unter einer grauen Nebelsuppe sind die einzige Abwechslung, um das Gemüt zu erheitern.
Der Abstieg nach Hontanas erfolgt in fließend kaltem Wasser. Allein der Anblick der Dächer weckt Hoffnung. Die Kirche dort ist offen. Ohne Eintritt zu bezahlen, stehen die Tore offen, um sich bei einer Tasse Kaffee aufzuwärmen. Dankbar wird das Angebot angenommen.
Aber es muß weitergehen. Auf der Hochebene direkt gegen die Elemente Wind und Wasser, im Tal gegen den tückischen lehmigen Wegbelag.
Gott sei Dank führt der Weg bald auf eine Teerstraße. Es ist unbeschreiblich, welche euphorische Stimmung ein fester Grip unter dem Schuhwerk bewirkt.
Der Regen stoppt zunächst phasenweise und hört dann ganz auf. Unter dem Tor von San Anton, das seit Jahrhunderten jeder Pilger nach Santiago durchquert, ist die Straße schon fast wieder trocken.
Kurz vor Castrojeriz blickt sogar unschuldig der blaue Himmel durch. So als ob nichts gewesen wäre!
Aber natürlich ist eine ganze Menge geschehen. Insbesondere bin ich von oben bis unten in meiner sommerlichen Wanderbekleidung durchnäßt und ausgekühlt. Leichtsinnigerweise ignoriere ich das und treibe mich in meiner Unterkunft noch eine ganze Zeit lang mit den nassen Klamotten herum. Am Abend bin ich erkältet.