Von Revel Tourdan bis Assieu

(Revel Tourdan/Assieu, Freitag, 24.06.2016)

Wenn einer wissen will, was eine ruhige Nacht, so soll er diese auf dem Parkplatz hinter dem Schloss von Revel verbringen. Nicht ein Geräusch!

Nach dem Pilgerfrühstück mit echter französischer Salami steht fest, ich kann auf der heutigen Tour nach Assieu die zu mir genommenen Kalorien gar nicht verbrauchen.

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Die Fußsohlen haben sich gut erholt. So steige ich gut gelaunt nach Revel durch eine schattige Allee ein weiteres Mal zum Tal hinab. Dies verspricht einen Aufstieg auf der Gegenseite mit einem Rückblick auf die Übernachtungsstätte. Spätestens dann merkt man, es wird wieder heiß. Heute ohne Wind!

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Oben säumen Kirschbäume den Weg. Leider hängt die Besitzerin gerade Wäsche zum Trocknen auf. Deshalb klaue ich genau nur zehn Früchte hinter ihrem Rücken im Vorübergehen.

An einer Bahntrasse entlang bietet sich ausreichend Gelegenheit französische Eisenbahntechnologie an vorbeirauschenden Zügen zu studieren.

Ein längeres Stück auf einem Bergkamm liefert wieder phantastische Ausblicke und Weitblicke.

Die alte Eremitenhause mit dem aufgelassenen Friedhof scheint ohne Umwege erreichbar. Jedoch erfordert eine dazwischen liegende Schlucht einen weiteren Ab-und Aufstieg. Die Kirche selbst ist natürlich verschlossen. Als Alternative bietet sich an, nach dem Sinn von Grabsteinen zu fragen.

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Nach einem Mittagsschläfchen geht es weiter auf dem Bergkamm bis der Weg sich nach Norden Richtung Assieu wendet. Wer nun glaubt, es brauche nur einen Abstieg in das Tal der Varéze, liegt falsch.

Richtig ist, es folgt ein Abstieg vom Mont-de-Serieu. Assieu liegt dann hinter einem weiteren Hügel, was zumindest einen weiteren Auf- und Abstieg bedeutet. Die Planer wollen jetzt noch über einen weiteren Hügel, was neben zusätzlicher Distanz zwei weitere landschaftlich reizvolle Auf- und Abstiege bedeutet. Letzteres ist mir leider nicht bekannt! In jedem Fall geht mir das Wasser aus.

Vollkommen dehydriert komme ich dann doch noch nach Assieu. Es besteht aus einer großen Schule, einem geschlossenen Restaurant, und einer Metzgerei mit Getränkeverkauf.

Nachdem der Flüssigkeitsbedarf aus deren Beständen gedeckt ist, verlegen wir unseren Stellplatz zum Mont-de-Serieu unter die schattigen Bäume gegenüber einem Kloster mit Talblick.

Von La Cote Saint Andrè bis Revel Tourdan

(La Cote Saint Andrè/Revel Tourdan, Donnerstag, 23.06.2016)

Nach zwölf Stunden Anfahrt ist der letztjährige Ziel- und diesjährige Ausgangsort für den zweiten Abschnitt auf der Via Gebenensis mit La Côte de André erreicht. In den nächsten Tagen soll zumindest Le Puy en Valley erreicht werden.

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Auch heuer setze ich wieder auf ein Gîte-de-Etappe-mobile mit meiner bewährten persönlichen Herbergsfrau. Selbstverständlich gibt es auch in Frankreich gute stationäre Übernachtungsmöglichkeiten, doch meistens dann nicht, wenn sie am notwendigsten sind. Auf das mehrstimmige Geschnarche angehaucht mit süßlichen Dunst ausströmenden Wandersocken und sonstigen Unterkunftsphänomenen kann ich im Gegensatz zu Jakobswegromantikern gerne verzichten. Schließlich gehöre ich zu einer Generation, die noch gedient hat und dies von Amtswegen erleben durfte!

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Zu jenen Zeiten hätte der folgende Marsch nicht stattgefunden, körperliche Aktivitäten waren bei Temperaturen um die vierzig Grad verboten. Hitze kann ich aber gut ab, solange mir ausreichend Flüssiges zur Verfügung steht. Wie hieß es: „Alles was nicht tötet, macht nur noch härter.“

So mache ich mich dann vom Denkmal für Berlioz auf den Weg nach Revel-Tourdan. Mit Schande gestehe ich, ein ganzes Jahr ist verstrichen, ohne mir etwas vom Komponisten anzuhören. Allein ich errinnere mich, anfangs des 19.Jahrhundert wurde sein Talent erkannt.

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Was war denn da noch? Zur gleichen Zeit wollte ein anderer eine Weltherrschaft errichten. War nicht die Schlacht von Eggmühl 1816? Während hier ein kleiner Franzose musizierte und komponierte, schaute ein anderer kleiner Franzose von einem kleinen Hügel im fernen Bayern aus zu, wie 18000 Soldaten krepierten. Auch für sie gibt es ein Denkmal: ein großer Hügel mit ihren Knochen.

Hausmauern und Bäume bieten genügend Schatten für einen ertragbaren Transfer nach Omacieux.

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Beim Blick zurück stellt sich Frage nach der Enstehung des weitläufigen Tales.

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Der Belag der nicht geteerten Wege besteht fast ausschließlich aus etwa Schädel großen, kugeligen Steinen. Daraus schließe ich, dass ein Gletscher einmal das Tal ausräumte und das Geröll durch ständiges Schieben geschliffen insbesondere an den Rändern ablagerte. Diese dienen nun nicht nur als billiges Wegmaterial, sondern auch zur Verzierung von Hausmauern.

Unangenehm beim Gehen ist, dass der Fuß nicht plan, sondern verkantet aufsetzt mit ständiger Knickgefahr. Und das geht nun so bis zur Rhone!

Der weitere Weg scheint nur zur Bestätigung meiner These geplant. Zur optischen Veranschaulichung der geologischen Bodenschichten in Seitenaufbrüchen führt er mehrmals in vom Regenwasser ausgeschwemmten Rinnen zu den höchsten Stellen der Ränder (mit Atem beraubenden Ausblicken bis in die Alpen) und den tiefsten Stellen der Sohle wie in Faramans (allerdings mit Badeverbot).

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Die letzten Kilometer auf dem Kamm vor Revel werden so doch noch zur Tortur. Gut zu wissen, dass alles für eine Ankunft im Schlosspark vorbereitet ist!

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Von Le Pin Bis La Cote Saint Andrè

(Le Pin/La Cote Saint Andrè, Sonntag, 10.05.2015)

Auf der Aufschlußetappe 2015 nach La Cote Saint Andrè zeigt sich das Wetter von der schönsten Seite.

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Noch einmal ein Blick zurück nach Le Pin nach Nordost!

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Schon einmal ein Blick voraus in die Richtung des heutigen Zieles nach Südwest!

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Ginster sorgt für den gelben Tupfer unter all dem Grün.

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Der Hund scheint meine Ausdünstungen besonders zu genießen. Tief zieht er den Duft ein.

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Dann ist auch schon der Scheitelpunkt erreicht mit einem Ausblick in das weite Becken am Rande dessen der heutige Zielort liegt.

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Das letzte Mal ein verhaßter Abstieg!

Am Ortseingang von Le Grand-Lemps entferne ich hoffentlich zum letzten Mal angesammeltes Geröll aus meinen Schuhe. Bis nach La Côte Saint Andrè habe ich fasst nur noch Teerbelag. Oh wie schön ist Teerbelag: kein Drücken. kein Rutschen, kein Schlupf!

Es ist heiß! Es ist sogar sehr heiß! Ich liebe es heiß, so lange ich Wasser habe und meinen Strohhut auf den Kopf.

Es ist still! Es ist die Stille, die es nur am Sonntagmittag gibt, wenn alle Leute beim Essen sind oder bei einem Schläfchen, sich von ihm erholen. Nicht einmal ein Hahn kräht.

Sonderbarerweise falle ich heute nicht in mein Mittagsloch!

In Saint-Hilaire-de-la-Côte treffe ich Anita aus Mosbach, die ihre Wärmeabfuhrpläne gerade mit Wasser aus der örtlichen Toilette lösen will. Sie geht nicht mehr mit Gertraud aus der Oberpfalz. Dafür geht sie ein Stück mit mir, dem Josef mit dem Wohnmobil. Allzu lange ist sie allerdings nicht bereit, wegen meiner hohen Schrittgeschwindigkeit auf ihren Landschaftsgenuß zu verzichten. Langsamer geht aber nicht: das wäre, stehen zu bleiben.

In Gillonnay ist dann einmal eine Kirche offen. Ich bekomme zwar wieder keinen Stempel. Aber die Gertraud aus der Oberpfalz war schon da und hat „Danke“ geschrieben! Ich schreibe auch „Danke“.

Am Horizont am Ende der Eingangsstraße nach La Côte Saint Andre taucht dann ein schwankender, einem roten Rucksack ähnelnder Körper mit zwei Stangen auf. Das ist die Gertraud aus der Oberpfalz mit ihren Wanderstöcken aus der Ferne.

Exakt an meinem Zielpunkt hole ich sie ein. Schön sie nochmals gesehen zu haben. Schneller als gedacht!

Das war der Jakobsweg 2015!

Von Vèroux bis Le Pin

Vèroux(Les Abrets)/ Le Pin, Samstag, 09.05.2015)

Heute Nacht prasselten mal wieder ausgiebigste Regenfälle auf das Campingcar. Dabei im Bett liegen und aus dem Fenster lugen kann zur schönen Gewohnheit werden.

Zweidimensional ist die Strecke über Les Abrets, Valencogne über die Berge westlich des Lac de Paladru relativ kurz. Dreidimensional ist ein nicht zu unterschätzender Höhenunterschied zu überwinden.

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Es ist kühl. Ich muss beim Verlassen des Platzes glatt meine Jacke überziehen. Etwas, was ich überhaupt nicht mag!

Das Auto wird nach Le Pin vorausfahren. Wenn ich dort ankomme, wird es an einem schönen Platz stehen und alles zu einer effektiven Erholung vorbereitet sein. Ich brauche mich um nichts zu kümmern, ich darf nur gehen.

Meine Frau wird mir dann das aktuelle Befinden der vorbeigekommenen sieben oder acht meist deutschen Pilger auf dem Jakobsweg mitteilen. Man sieht sich gegenseitig fast nie, weil man sich mit wenigen Ausnahmen in fast immer gleichen Abständen einander hinterherläuft. Sie kennt alle und man kennt sie und man hat ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich mitzuteilen.

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Les Abrets enttäuscht mich ein wenig. Allerdings gibt es eine Boulangerie und daneben eine Boucherie zur Versorgung des Standardpilgers.

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Hinter Les Abrets jage ich dann eine Walkerin mit Titanstöckchen, die sich nun überhaupt nicht von einem mit einem Sack auf dem Rücken überholen lassen will. Das schnelle Gehen bringt mich nahe an einen Hungerast.

Aber erst am Ortseingang von Valencogne bietet sich eine Sitzgelegenheit auf einem alten Traktorreifen bei einer Silieranlage, etwas zu essen. Die Pizzeria an der Kirche wäre zweifellos die bessere Alternative gewesen. Aber was ich nicht weiß, mach mich nicht heiß.

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Die Kirche ist wieder einmal verschlossen. Aber hier gibt es auch Bildchen auf der Straße zu bewundern.

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Dann geht es den Bergrücken westlich des Lac de Paladru hoch. Diesen selbst bekommt man allerdings nie zu sehen!

Dafür überholt mich eine Horde wildgewordener Quadfahrer. In Frankreich ist schon eine Menge erlaubt.

Relativ früh komme ich heute in Le Pin an. Zeit genug für einen Ausflug zum See mit dem Campingbus.

Von St Maurice de Rotherens bis Les Abrets

(St Maurice de Rotherens/Vèrou(Les Abrets), Freitag, 08.05.2015)

Wir stehen nicht nur neben der Mairie, sondern auch neben der Eglise. Französische Kirchen läuten anders. Sie läuten die vollen Stunden zweimal. Sollte man den ersten Durchgang wegen Schlafes nicht voll mitbekommen, so stellt er zumindest das Aufwachen sicher. Beim zweiten ungefähr eine Minute später ist höchste Konzentration sichergestellt, kann die Schläge sicher mitzählen und weiß dann ganz genau wie spät es ist. Ich weiß ganz genau, es ist sechs Uhr. Nachts ruht der Glockenbetrieb. Dem Himmel sei Dank!

Nachdem ruhigen Frühstück ist wieder Sohlenpflege angesagt. Meine Frau hat inzwischen bei Carrefour ein dem Original aus der Pharmacie zumindest funktionell identisches Blasenpflaster gefunden, das die täglichen Verpflasterungskosten von acht Euro auf zwei Euro senkt. Ansonsten ist es schon erstaunlich, wie sich der Körper beim Schließen von Rissen zu helfen weiß.

Guten Mutes mache ich mich auf den Weg zum Campingplatz nach Vèrou. Das heutige Profil scheint vergleichsweise einfach.

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Zunächst geht es gleich wieder abwärts. Aber kein Vergleich zu gestern!

In Gresin gehe ich dann in die Kirche. Vielleicht gibt es hier mal einen Stempel. Den Stempel vergesse ich aber, als mich der indirekt erleuchtete Kirchenraum mit einem sanften Ave Maria mehr als freundlich empfängt. Ich bin wirklich ergriffen. So stelle ich mir ein Tor zum Himmel vor.

Geistig gestärkt cruise ich nun frohen Mutes nach Saint Genix an der Guiers. Übermütig lege ich mich unterwegs noch mit ein paar Hundeungetümern im Vertrauen an, dass sie ihre Besitzer nicht frei laufen lassen würden, falls sie nur halb so aggressiv wären wie sie sich gerade aufführen. Hätte ich mich geirrt, wer weiß, wo ich jetzt wäre. Leider hatte ich nicht die Nerven, ein Foto zu schießen.

Eine offensichtlich geänderte Route führt an der Chappele de Pigneux vorbei. Dort habe ich auch ein Lichtlein geopfert. Ich habe allerdings gewusst, was ich sagen soll, und habe das auch gesagt, wenn auch nicht laut! Der Richtige wird mich schon verstanden haben!

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Triumphal ziehe ich in Genix ein. Hier findet gerade ein Markt statt. Ich haushalte mit meinen Schritten, weshalb ich das Warenangebot nicht genauer inspiziere.

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Die Gicht fördernden Mittel vor einer Boucherie (gegrilltes Hühnchen) hätten mir es beinahe angetan. Ich bin stark und widerstehe. Mein Appetit wurde allerdings angeregt. Ich beschließe deshalb eine Pause im Park hinter dem Rathaus.

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Ich setze mich auf eine Bank, ziehe meine Schuhe aus, packe mein Käsebrot und meinen Apfel aus als ein älteres Ehepaar auftaucht und sich freundlich nickend neben mich auf die Bank setzt. Ihr Blick richtet sich in den mit der Trikolore beflaggten Hinterhof des Rathauses, in dem offensichtlich alles für eine Art Sektempfang vorbereitet ist. Immer mehr Leute sammeln sich in dem Park auffallend feierlich gekleidet. Man kennt sich! Küsschen rechts, Küsschen links! Auffallend viele Veteranen tragen stolz ihre Orden zur Schau! Spätestens als Kinder im Stile der deutschen Kriegsgräberfürsorge um eine Spende bitten, merke ich, dass es sich hier wohl um eine Feier zur Deutschen Kapitulation vor 70 Jahren handelt. Die Leute um mich herum wissen wohl, dass ich Deutscher bin. Sind trotzdem nett und freundlich! Nichteinmal der hochdekorierte Luftwaffenveteran mit drei goldenen Ordensreihen auf jeder Seite der Brust zeigt Ressentiments!

Mein Aufzug ist dieser Veranstaltung nicht würdig. Ich verabschiede mich mit einem durchaus erwiderten „Bonjour“!

Ich verlasse Genix entlang der Guiers, unterquere die Autobahn, und gehe durch einen kleinen Wald in ein Dorf hoch, in dem zwei Wanderinnen gerade nach einer Pause weiterwollen.

„Wia der Hans! Ja, a Lacha wia der Hans! Mei is des sche“ schreit die eine und stürzt auf mich zu, obwohl sie mich zuvor noch nie gesehen hat.

Das ist sie wohl die „Gertraud aus der Oberpfalz“ wie sie sich in den Dankbüchern der Kirchen verewigt hat, die „Holzofenbrotbäckerin aus Vogelthal bei Dietfurt“ von der mir meine Frau schon erzählt hat, die jahrelang das Geschäft meines verstorbenen Bruders mit Gebäck versorgt hat

Auffallend in der kurzen Zeit mit Gertraud ist, dass sie alles fotografiert. „Du kummst fei in mei Fotoalbum!“

Ich mache ein Selfy. „Und Du kummst auf mei Web Page!“. Was hiermit geschehen ist.

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Eine Stunde gehen wir miteinander, suchen nach Gemeinsamkeiten in der Heimat: „Kennst Du den? Kennst den a?“

Wir holen ihre Noch-Weggefährtin Anita ein, die vorausgeeilt war, weil sie mich eher wohl als Störenfried empfand.

Dann trennen wir uns: „Ria de fei! Ehrlich! Ria de fei“, was sich zweifellos einmal ergeben wird.

Im beginnenden Regen gelange ich schnell zum schönen Campingplatz, in dem schon alles für mein Wohlergehen vorbereitet ist.