Von Forsthofen bis Türkheim

(Bobingen/Türkheim, Sonntag, 03.04.2011)

Am Sonntagmorgen treffe ich zur Kurzetappe von Forsthofen über Ettringen nach Türkheim ein.

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In Kirch-Sienbach ist es bis auf vereinzeltes Vogelgetschwitzer ganz still. In Anbetracht der vielen Räder und Autos etwas überraschend. Vielleicht ist gerade Wandlung. Kurz danach hebt dann das Kirchenvolk tatsächlich zu einem inbrünstigen Kommet zu Hauf, Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hören an.

Lange schallt es im Tale in der Allee nach Sienbach noch. An der Wertach entlang erreicht man kurz vor Ettringen eine erschreckend große Papiermühle nach der man in die Ortschaft umgeleitet wird, um gleich wieder an den Fluss zurückzukehren. Das Auffallendste ist ein geschlossenes Cafe.

Unter den Schatten spendenden frisch austreibenden Bäumen erreiche ich dann Türkheim. Mit bemalten Ostereiern behängte Bäume bannen meinen Weg in das einladende Schlossgarten-Cafe zu einem Schnitzel Wiener Art mit Kartoffel-Gurken-Salat und abschließenden Apfelkuchen.

Von Bobingen bis Forsthofen

(Bobingen/Forsthofen, Samstag, 02.04.2011)

Alleine von Augsburg zurück mit dem Zug nach Bobingen an die gestrige Abbruchstelle! Meine Gattin muss(!?!) ihren Füßen eine Erholungsphase gönnen. Oder vielleicht geht(!?!) sie lieber in Augsburg shoppen! Auf jeden Fall wird sie mich in Forsthofen mit dem Auto abholen. Der Rücktransport von dort wäre ansonsten ein Problem.

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Von Bobingen-Siedlung geht es über einen steilen Hügel nach Straßberg. Bereits am frühen Morgen ist es schon so warm, dass ich meine Jacke im Rucksack verstaue. Am Ortsausgang verpasse ich dann einen Abzweig und versuche querfeldein auf den Jakobsweg zurückzukehren. Prompt lande ich in einem Dickicht aus Hecken, die sich um die Füße angeln. In ein paar Wochen wird ein Durchdringen unmöglich sein. Jetzt verhaken sich nur ein paar Dornen in der Kleidung. Schmerzhaft schafft es die ein oder andere sogar bis an die Haut oder zieht Fäden aus meinem T-Shirt. Bis zum Abend werde ich immer wieder ein pickendes Übel aus der Kleidung entfernen müssen.

Über Rainhardtshofen gelange ich zur kleinen aber feinen Justinakapelle. Vor der Säkularisation sollen hier einmal Eremiten gehaust haben. Der von ihnen benutzte Brunnen ist teilweise freigelegt. Über eine Jahrhunderte alte Mooreiche wird ein Bach geleitet und lässt die Wasserversorgung von Fischteichen im späten Mittelalter erahnen.

Mehrere Schutzhütten laden zur Rast ein. Die Sauberkeit ist bemerkenswert. Hier macht sich irgendwer uneigennützig viel Arbeit. Ich genieße die Mittagspause, trage mich in das ausliegende Besucherbuch ein. Ich bedanke mich für diesen schönen Ort. Es liegen sogar Kissen aus. Zur Not kann man sogar übernachten.

Während ich in Klimmach auf die Wallfahrtskirche zugehe, erlebe ich die liebste Beschäftigung der männlichen schwäbischen Landbewohner an Samstagnachmittagen nämlich Traktorwaschen mit Dampfstrahlern. Vom alten Kramer bis zum 350 PS High-Tech-Fendt wird hier alles geputzt. Natürlich wie früher meist bei laufendem Motor! Manches Dieselroß trägt das Kennzeichen SMÜ. Wahrscheinlich war Schwabmünchen einmal ein eigener Landkreis.

Hinter dem nächsten Hügel kommt Birkach, ursprünglich der Zielort des Abschnitts von Augsburg aus. Übernachtungsmöglichkeiten scheiden damit auf jeden Fall als Merkmal für Etappenorte aus.

Dann tun die Wegplaner wieder etwas für die körperliche Fitness. Ich gehe nicht direkt nach Konradshofen sondern über Hipoldsberg. Ich verbleibe dann auch nicht im Tal, sondern gehe in der Mittagshitze hoch nach Konradshofen. Ich spüre die ersten Anzeichen eines Sonnenbrandes auf der Stirn und im Nackenbereich. Auf dem Berg meint eine Frau: „Du musst einen Hut tragen!“ Ich sage nur: „Vor einer Woche habe ich noch gefroren!“ „Ja mei!“

Der Dorforganist belohnt mich in der kühlen Kirche gewollt oder ungewollt mit einem Exklusivkonzert. Ein erholsamer Aufenthalt!

Dann geht es wieder ins Tal. Der weibliche Teil der Ortsbevölkerung kehrt die Straßen vor ihren Höfen.

Und schon wieder erfolgt ein Anstieg zu den sogenannten Berghöfen. Ein Roter Milan kreist über mir. Nachdem mich schon einmal ein Bussard aus ähnlicher Höhe angegriffen hat, gilt ihm mein ganzes Augenmerk. Schön ist es sowieso, ihn beim Kreisen zuzuschauen. Er ist so nahe, dass ich mit meiner Kamera nach ihm werfen könnte. Bis ich jedoch tatsächlich soweit bin, selbst mit dieser eine vernünftige Aufnahme zu machen, dreht er ab.

In der Kapelle am oberen Teil des Anstiegs wird endlich einmal auch meinem vernachlässigten Namenvetter Josef gedacht. Im besten Mannesalter steht er neben der Maria da mit einer Stichsäge, gut aussehend und überhaupt nicht greis. Heiliger Geist aufgemerkt!

Den höchsten Punkt im Wald habe ich dann auch noch geschafft. Nach Forsthofen war es dann nur noch ein Katzensprung. Dort wurde ich herzlich empfangen und zur nächsten Eisdiele gebracht (Eisdiele ist in Schwabmünchen, nicht in Forsthofen).

Von Augsburg bis Bobingen

(Augsburg/Bobingen, Freitag, 01.04.2011)

Das dreitägige Pilgerwochenende führt uns vom Augsburger Hauptbahnhof meist der Wertach entlang nach Türkheim. Für den heutigen Freitag ist Bobingen anvisiert.

Oh Schreck! Gleich geht es mal durch den langen Tunnel unter dem Bahnhof hindurch. Viele grelle Farbkleckse an den Wänden sollen auflockern, stressen jedoch fast noch mehr. Dann erklingt klassische Musik und ich empfinde die Penetration beinahe als Bereicherung!

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An unzähligen Schrebergärten vorbei geht auf dem Wertachdamm entlang. Das waren noch Zeiten als das Ziel sozialer Politik war, jedem Arbeiter sein Gärtchen zu sichern. Augsburg war (wahrscheinlich) einmal rot!

Die Zeiten haben sich nicht nur da geändert. Manches Hochwasser hat inzwischen nachgewiesen, dass die schnurgerade Kanalisierung der Wertach wohl nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Und jetzt wird renaturiert, was zu renaturieren ist.

Zu Mittag machen wir Rast an einer neu angelegten Stromschnelle und können einen Fliegenfischer dabei beobachten wie er serienweise die Viecher aus dem Wasser zieht. Die Unterwasserwelt scheint also noch oder schon wieder in Ordnung zu sein. Oder haben die Tiere schon gelernt, dass für den Angler nur das Fangerlebnis zählt, und sie am Schluß mit dem Köder im Magen sowieso wieder im Nass landen?

Vom Kraftwerk Inningen aus mit dazugehörigen Stausee lässt sich auch schon unser heutiges Ziel in der Ferne erahnen.

Alles wäre heute leicht gewesen, wenn sich die Füße meiner Begleiterin nicht urplötzlich entschieden hätten, auf ihre Socken allergisch zu reagieren. Auf jeden Fall war das Rot in der Unterführung des Augsburger Bahnhofes matt im Vergleich zu dem, was auf den Sohlen, um die Fersen und die Knöchel sowie auf dem Rist gleichsam glühte. Glück im Unglück: die Bobinger Station war nicht mehr weit. Nach Augsburg mit dem Zug!

Von Biberbach bis Augsburg

(Biberbach/Augsburg, Samstag, 19.02.2011)

„Pilgerst Du schon, oder wanderst Du noch?“ stand irgendwo im Internet. Zu dieser Etappe von Biberbach nach Augsburg auf geteerten Fahrradwegen fast immer entlang von Autostraßen und sogar der Autobahn kann ich nur feststellen: „Ich bin nur gegangen, ich bin nicht einmal gewandert.“

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Das Gehen ist hier das mechanische Setzen eines Fußes vor dem anderen in aufrechter Körperhaltung zur Überwindung einer Strecke zwischen einem Start- und einem einem Endpunkt ohne Zugang zu emotionalen oder gar transzendenten Sphären.

Beim Wandern erwartete ich schon die ein oder andere zu einem freudigen Gefühl führende Ausschüttung von Hormonen.

Beim Pilgern über mehrere Etappen ist das nicht immer garantiert und gegeben, es gibt auch Leerlauf. Der Umgang mit diesen Krisen macht den Unterschied. Reagiere ich gelassen, dann pilgere ich. Ansonsten wandere oder gehe ich. Insofern pilgerte ich heute das erste Mal. Der Weg ist das Ziel.

Die Strecke führt zumeist auf dem ausgeschilderten Jakobsweg. Mein Weg folgt ab Gersthofen nicht dem offiziellen entlang des Lechs, sondern führt parallel dazu auf der Donauwörther Straße in die Augsburger Innenstadt. Ich glaubte, so mehr von Augsburg mitzunehmen. Ob dem wirklich so ist, kann ich nicht sagen.

Von Donauwörth bis Biberbach

(Donauwörth/Biberbach, Samstag, 12.02.2011)

Zur nächsten Etappe meiner Wochenendpilgerfahrt zum Finis Terrae kehre ich nach Donauwörth zurück. Dieses Mal von München aus, wieder mit der Deutschen Bahn, aber pünktlich! Am Abend soll es dann wieder zurückgehen, und das heißt: nach der regulären Ankunft in Biberbach auf dem Augsburger Jakobsweg noch ein Marsch zur nächsten Regional-Express-Haltestation nach Herbertshofen!

Für richtiges Pilgern ständig weg von den gewohnten Lebensmittelpunkten fehlt die Zeit: irgendwie muss das tägliche Brot verdient werden. Leider gibt es einem der Vater unser im Himmel nicht von sich aus. Und schließlich habe ich ja auch noch meine liebe Frau. Sie würde mich nur allzugerne begleiten, was ihr verletzungsbedingt nicht möglich ist. Ihre Kommentare zu meinen Alleingängen werden leider zunehmend kritischer.

Donauwörth – Rieder Tor

Donauwörth ist ein hübsches Städtchen. Ich mache deshalb bewusst einen kleinen Umweg vom Bahnhof durch das Reichstor und die Innenstadt zum eigentlichen Ausgangspunkt der Etappe, der Brücke am Hotel Donau. Über meinen Arbeitsgeber bin ich mit dem Ort latent verbunden. Langezeit ohne Bedeutung wird dies aufgrund seiner strategischen Absichten zum Wohle des Unternehmens dramatisch. Eigentlich dürfte es mir hier nicht gefallen! Vielleicht wird alles gut.

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Bis Mertingen zieht sich der Weg über die flurbereinigten Ausläufer des westlichen unteren Urlechtales. Nicht nur ein Leidensweg wegen der schneidenden Kälte!

Danach eine Andeutung von Landschaft mit Hügeln, Busch- und Baumgruppen. Die Schmutter hat sich tief eingegraben. Offensichtlich ist es nicht gelungen, das dazugehörige Steilufer einzuebnen. Labsal für die Seele! Bei Druisheim wird dann sogar eine Fischsteige neu inszeniert. Hat das mal wirklich hier so ausgesehen?

Bis zum Kloster Holzen führt der Weg dann freilich wieder an kanalisierten Gewässern entlang. Doch dort tauche ich in eine andere Welt. Vorbei an dem kleinen Nonnenfriedhof mit seinen bescheidenen Holzkreuzen führt nur eine einzige Spur im Tage alten Schnee den Treppenaufgang hoch. Keine einzige Menschenseele auch im großen Klosterhof! Vergeblich suche ich bei einem Rundgang nach Menschen in dieser baulichen Pracht. Der einladende Klosterbräu beweist, dass hier meistens mehr los sein muss. Aber jetzt ist nur Stille! Momentan gehört das Kloster mir ganz allein!

Kloster Holzen

Beim Öffnen der Kirchentüre flutet Helligkeit. Die unbemalten Figuren aus Porzellan reflektieren das Licht aus den Fenstern und verteilen es im Kirchenschiff im Gegensatz zu vielen Räumen ähnlicher Art, bei dem man glaubt, ein Reich der Finsternis zu betreten. Selten hat mich ein Kircheneintritt so beeindruckt. Um so überraschter bin ich, dass dieser Leben verheißende Raum auf den zweiten Blick nichts anderes ist als eine Reliquienstatt. In jedem Seitenaltar befindet sich ein prachtvoll bekleidetes Heiligenskelett oder eine Flächen füllende Knochencollage. An sich haben diese Dinge etwas Verstaubtes und Muffiges. Dieser Raum gibt ihnen Frische. Selten habe ich mich in der Nähe von Leichenteilen so wohlgefühlt. Bisher hatten mich immer nur die Jahrhunderte alten, gut erhaltenen Heiligenzähne im Kontrast zu den meinigen beeindruckt.

Kloster Holzen – Kirche

Beim Verlassen der Kirche ist immer noch keine Seele zu sehen. Ich gehe aus dem Hof, um den Weg an der Klostermauer entlang nach Süden fortzusetzen. Wären da nicht plötzlich drei grinsende Gestalten mit einem Leiterwagen auf mich zugeschossen, hätte ich den Besuch auf Kloster Holzen abgeschlossen, ohne jemanden zu sehen. Sie sind genauso überrascht und erfreut wie ich. Drei Behinderte aus dem nahen Heim sind offensichtlich mit einem wichtigen Transport beauftragt.

Im Tal geht es weiter. Kurz vor Blankenburg sehe ich auf einer Koppel Maultiere stehen. Tatsächlich überlege ich mir ein solches zuzulegen. Es könnte meinen Rucksack tragen. Zusätzlich könnte es ein Zelt tragen, und mir die Hotelkosten oder die Übernachtungen in Refugien ersparen. Spinnen muss erlaubt sein!

Blankenburg – Esel

Zur imposanten Burg Markt geht es wieder bergauf. Doch ein pflichtbewusster Golden Retriever verwehrt mir den Zugang zu dem Gemäuer. Neugierig kommt er aus seinem Hoheitsgebiet, genießt meine Streicheleinheiten. Als ich ihm den Hals kraule, legt er sich sogar auf den Rücken. Ich glaube ihn auf meiner Seite und versuche mit ihm ihn streichelnd auf das Burggelände zukommen. Doch Pech gehabt! Genau im Torbogen baut er sich wieder laut bellend vor mir auf. Ich gebe auf und lasse ihm seinen unbestechlichen Willen!

Burg Markt – EIngang
Burg Markt

Beim Blick zurück auf die Burg Mark stellt sich die in Bayern wichtige Frage, ob der Wachturm oder der Kirchturm höher ist. Das ungeschriebene Gesetz lautet, kein anderes Gebäude darf einen katholischen Kirchturm überragen. Das scheint hier anders zu sein.

Dann liegt auch schon Biberbach vor mir. Lang zieht sich der Weg zur Wallfahrtskirche. Um geistig anzukommen verweile ich dort eine längere Zeit.

Der weltliche Teil sollte im Anschluss im benachbarten Gasthaus erfolgen. Nach einem Tag an der frischen Luft will ich mir eine Gaststube hinter vergilbten Gardinen nicht antun. Zumal eine Nahrungsaufnahme nicht erforderlich erscheint, mache ich mich direkt auf den Weg nach Herbertshofen und München.