Von Concots bis Le Pech

(Concots, Le Pech, Montag, 04.06.2018)

Ein weiteres Beispiel für das Thema „Wie findet man den längsten Weg zwischen zwei Orten auf der Erdoberfläche?“ ist die heutige Etappe von Coconots nach Le Pech: man gehe einen Bogen. Dabei ist Le Pech eigentlich keine Ortschaft sondern eine Ansiedlung französischer Neureicher nahe dem Bauerndorf Laburgade. Es hat aber eine Gite und taucht deshalb wie eine Weltstadt in meinem Wanderführer auf. Die Entfernung dorthin passt zufällig in mein Tageskilometerschema.

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Eine weitere Strategie zur Verlängerung ist das Wegleiten von geteerten Straßen. Immer wenn man auf eine solchen trifft, nehme man den nächsten Abzweig nach links oder rechts im rechten Winkel für ein paar hundert Meter in den Wald und laufe parallel. Wer glaubt, dies diene einem besonderen Erlebnis, irrt. Es geht nur darum, die Teerdecken for Abnutzung zu schützen. Dies passt zumindest zur Beobachtung, dass auffällig wenige Autos auf ihnen unterwegs sind und wahrscheinlich auch umgeleitet werden. Den Fahrzeugen der französischen Post begegne ich immer nur auf Hohlwegen.

Immerhin komme ich so in die Nähe von Bach, wo es wieder auf die Hauptroute des Jakobsweg zurückgeht. Plötzlich sind da wieder Pilger! Ich bin wieder zu Hause!

Ich bin guten Schrittes unterwegs und komme auf der flachen Strecke schnell nach Le Pech, besser gesagt an einen aufgelassenen Steinbruch an einem kleinen Bach unterhalb ein paar Häusern, die sich so nennen. Dort steht auch schon der Campingbus, dessen Fahrerin mich darauf hinweist, dass ich schon am Tagesziel angekommen bin. Weiß der Teufel wie sie hierher gefunden hat.

Da die Häuserbesitzer auf dem Berg eifersüchtig ihr Eigentum mit Zäunen markieren und keine freien Flächen lassen, schlagen wir unser Nachtlager am Zugang zum Steinbruch auf, wo wir zur Attraktion für die Passanten werden. Einen Campingbus in diesem Steinbruch sieht man nicht alle Tage.

Von Cabrerets bis Concots

(Cabrerets/Concots, Sonntag, 03.06.2018)

Vom Campingplatz in Cabrerets breche ich nach Concots auf. Ich werde heute das Tal des Cele verlassen und den Lot nach Süden überqueren, um langsam wieder auf die Hauptroute zurückzukommen.

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Zum wiederholten Male komme ich an einem Schild mit den Pferden vorbei, das dem Original in der Grotte nachempfunden ist. Gefällt mir! Sollte man eigentlich abmontieren und zuhause aufhängen bevor es hier langsam dahinrostet. Die moderne Erscheinung ist schon erstaunlich!

Die gestrige Besichtigung von Pech Merle war schon eindrucksvoll. Jetzt kann ich allerdings die Motivation der Höhlenmaler nicht mehr nachvollziehen ausgerechnet in einer dunklen dreckigen Höhle Bilder über Kopf mit Rostfarbe im Mund an die Decke zu spucken. Die Geschichte von der zufälligen Entdeckung der Höhle mit den zwei Jungen und dem Mädchen, die sofort den weisen Ortspfarrer informieren, erinnert mich stark an die der Marienerscheinung des nahen Lourdes. Geheimnis des Glaubens!

Auf der anderen Seite: warum wächst die Wurzel einer Eiche von der Höhlendecke durch einen Höhlenraum nur um dann wieder in den felsigen Höhlengrund einzudringen? Da real, macht das sicher Sinn. Selbst wenn er unter meinem begrenzten geistigen Horizont nicht sichtbar wird.

Jetzt gilt es erst einmal die Felswand zu erklimmen, worunter irgendwo die Höhle verborgen ist.

Im Schweiße meines Angesichts sehe ich zum ersten Mal einen Menhir. Zumindest halte ich die Anhäufung von Steinblöcken dafür.

Auf der Höhe lässt es sich angenehm laufen bis dann der Weg über einen Felssporn mit dem Celes links (!) und dem Lot rechts (!) steil abfällt. Unten angekommen halte ich den Lot immer noch für den Cele, was wieder einmal für etwas Navigationswirrwarr sorgt. Dann folge ich doch der Markierung, obwohl das GPS in die entgegengesetzte Richtung zeigt. So komme ich in den viel besuchten Ausflugsort Bouziès, ohne wie befürchtet zusätzliche Kilometer auf mich zunehmen.

Auf den in den Fels geschlagenen Treidelwegen geht es dann den Lot flussaufwärts. Gott sei Dank zeigt auch das GPS in die entsprechende Richtung.

Dahinter taucht die Mündung des Cele auf, die ich irrtümlicherweise woanders vermutete.

Nach St-Cirq-Lapopie geht es steil aus dem Tal des Lotes heraus. Ja was ist denn hier los! Das Ausflugsziel schlechthin! Restaurants um Restaurants! Und alle voll! Und ein offenes Touristenbüro! Und Dixie-Klos! Und gebührenpflichtige Parkplätze! Und eine Touristengruppe mit einem deutschen Führer, der die Bedeutung des Safrans erklärt. Und der Safran wird auch verkauft. Da mach ich gleich nochmal eine Pause.

Nach langen Ringen nehme ich dann doch noch die paar zusätzlichen Höhenmeter zur Ruine in Kauf. Und werde mit einem einzigartigen Rundumblick belohnt.

Das Zurückfinden auf den Jakobsweg gestaltet sich dann wieder als schwierig. Irgendwann befinde ich mich auf der Straße nach Concots und bin auch fest entschlossen, auf ihr zu bleiben als nach ein paar Kilometern doch wieder die rot-weiße Markierung erscheint. Zunächst geht es höhenversetzt entgegen der Straße im Wald wieder zurück. Muß das sein?

Irgendwann bin ich dann in Concots, das sich im französischem sonntäglichen Nachtmittagsschlaf befindet.

Von Marcilhac bis Cabrerets

(Marcilhac/Cabrerets, Samstag, 02.06.2018)

Vom ruhigen Übernachtungsplatz an der Cèlè-Brücke geht es zu allererst zur Schule von Marcilhac, wo der nächste Aufstieg zur Causse beginnt. Nach einem Abstieg nach Sauliac und dem Genuss einer weiteren Höhenmetergewinnungsmaßnahme ist für heute Cabrerets die Endstation.

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Ich bin überrascht mit welcher Selbstverständlichkeit die Franzosen pompöse Häuser mit obligatorischen Swimmingpool mitten in die Landschaft bauen, die in Deutschland definitiv zum Schutzgebiet erklärt wäre. Nochmehr verwundert bin ich über die Größe der Park ähnlichen Areale, die diese sauber abgegrenzt durch unüberwindliche Zäune mit Videoüberwachung wie bei militärischen Anlagen umgeben. Den Franzosen scheint es ganz gut zu gehen. Ich hoffe nur, dass ich als deutscher Steuerzahler nicht zu viel über irgendwelche EU-Ausgleichfonds zu diesem Wohlstand beitrage.

Alle Franzosen sind freilich immer nett und hilfsbereit. Sie sind wirklich bemüht, dass es mir gerade als Deutschen in ihrem Land gefällt. Dafür muss ich ihnen auch etwas gönnen.

Über dieses zu verurteilende Neiden habe ich mal wieder die rot-weißen Markierungen aus den Augen verloren. Jetzt stehe ich am lokal höchsten Punkt an einer Kreuzung und weiß nicht, ob ich nun nach links oder nach rechts absteigen soll. Und kein Franzose ist zum Fragen in der Nähe. Und wie es ausschaut, wird so schnell auch keiner kommen.

Nach etwas Umherirren entscheide ich mich für die linke Variante, die auf jeden Fall keine zusätzlichen Höhenmeter verursacht und steige zur D41 ab, um parallel zum Cele nach Sauliac zu wandern. Wie die Erfahrung zeigt, muss man dabei nicht unbedingt etwas versäumen.

In Sauliac finde ich dann tatsächlich wieder Wegweiser, die mich auf die offizielle Route zurückführen. Natürlich mit einem Anstieg! Dann gibt es nochmal Causse im Überfluss: Steinmauern über Steinmauern, Eichen über Eichen, und manchmal auch Trockenrasen.

Dann zeigt sich Cabrerets unten im Tal. Es gilt in Serpentinen abzusteigen. Was ist nun eine größere Schinderei: abwärts oder aufwärts?

Auf jeden Fall verlangt der Körper, sich an der unkontrollierten Wasserstelle am Ortseingang zu laben. Carbrerets ist ein gemütlicher auch von Touristen besuchter Ort, wo es tatsächlich einmal die Möglichkeit gibt, einen Kaffee zu erwerben. Nach all der der Natur der vergangenen Tage schon eine Wohltat, die sofort die Lebensgeister wieder weckt.

Ich werde jetzt ein wenig rasten, dann die Grotte von Pech Merle besichtigen, die Nacht auf dem Campingplatz mit Stromanschluss zum Aufladen der leeren Akkus und Batterien verbringen.

Von Corn bis Marcilhac

(Corn/Marcilhac, Freitag, 01.06.2018)

Von der Brücke am Ortsausgang von Corn geht es am zweiten Tag auf der linken Seite des Cele zunächst nach Espagnac mit dem Ziel Marcilhac.

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Der Wanderer fühlt sich nach ausgiebigem Pilgerfrühstück bestens, obwohl der Nagel der linken kleinen Zehe schon wieder blutunterlaufen ist und ein wenig zwickt. Somit waren die Füße genau einen Tag ohne Spuren.

Warum nach La Gomera in den Regenwald fliegen, wenn man das Ganze auf dem Jakobsweg auch haben kann.In der Tat kann ich über mangelnde Feuchtigkeit nicht klagen.

In Espagnac kommt an den Mauern des ehemaligen Klosters Mittelalterfeeling auf. Sie werden heute als Gîtes benutzt. Von außen erscheinen die Schlafsäle der Massenunterkunft komfortabel und sauber. Trotzdem ist die große Anzahl der Betten abschreckend.

Nach Espagnac geht es offiziell auf der rechten Seite des Cele auf die Hochebene. Nur finde ich die rot-weißen Wegmarkierungen nicht. Ich habe keine Lust flussaufwärts zu suchen und bleibe auf der Straße. Wegen der geringen Verkehrsdichte ist das kein Problem. Hier kann man sich Schlafen legen: die Wahrscheinlichkeit überfahren zu werden, ist sehr gering.

Nach einigen Windungen ist das in eine Felswand gebaute Saint Sulpice zu erkennen. Die Höhlen und Löcher werden durch hausähnliche Vorbauten abgeschlossen. Wasser tritt aus den Felsen. Backöfen sind unter die Überhänge gebaut. Alles was den Wohnkomfort im Mittelalter ausmacht, ist hier verfügbar. Und zur Not kann man sich auch gut verschanzen. Das Fehlen von Felssicherungen mag geteilte Meinung hervorrufen.

Inzwischen bin ich wieder auf dem GR651 zurück. Das GPS zeigt Lauflinie einen Kilometer bis zum Ziel. Ich bin versucht, die lange Schleife über die Höhen zu sparen. Noch geht es mir nicht schlecht genug, und so folge ich halt dem Vorschlag.

So laufe ich Kilometer um Kilometer zwischen Trockenmauern und Buchsbäumen auf der linken und rechten Seite. Steige auf den Berg, um sofort wieder abzusteigen, um gleich darauf wieder aufzusteigen. Die Wasservorräte sind erschöpft.

Schließlich schaue ich dann wieder aus einen Kilometer Entfernung auf Marcilhac. Aus der Höhe sehe ich das Wohnmobil am Cele im Schatten eines Baumes geparkt. Ich weiß im Kühlschrank ist ein Pils.

Von Figeac bis Corn

(Figeac/Corn, Donnerstag, 31.05.2018)

Vorgestern raus aus der Arbeit! Rein in den Campingbus und ab nach Figeac zum Wandern auf der Via Podiensis! Nach zweimaligen Leeren des Dieseltanks und Begleichung diverser Autobahngebühren kommen wir gestern leicht behämmert spätnachmittags in der südwestlichen Ecke des Zentralmassives an. Zu spät um gleich loszulegen!

Da bleibt noch genügend Zeit die letzten Hinterlassenschaften der blauen Zehen vom letzten Jahr zu entfernen. So kann ich mich mit runderneuerten jungfräulichen Nägeln heute auf dem Weg nach Corn machen.

Ja, ich benutze die Variante durch das Tal des Celle wegen meiner Kalkfelsen- und Trockenrasenaffinität. Und zwanzig Kilometer bis nach Corn scheinen für den Anfang mehr als genug.

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Der Celle führt Hochwasser vom Regen der vergangenen Tage. In der Tat ist es ziemlich feucht. Es hat in der Nacht geregnet. Die Ränder der Talhänge sind in Wolken. Immer ist ein leichtes Nieseln! Klamm, aber nicht zu kühl!

Nachdem ich im Wirrwarr aus widersprüchlichen Wegweisern, Wanderführeren und Landkarten endlich den Einstieg in den GR51 finde, tauchen schon die ersten Pilger auf: meist Gruppen mit einer Überzahl weiblichen Geschlechts!

Der erste Aufstieg lässt nicht lang auf sich warten! Ich schnaufe wie eine Dampfmaschine, doch die Luft geht mir nicht aus! Taugt schon! Wegen Nebels ist der Ausblick vom Cingle auf Figeac leider nicht so unvergesslich wie im Führer beschrieben. Den versprochenen Dolmen sehe ich leider auch nirgends.

Nach einem Abstecher nach Faycelles sehe ich weder andere Wanderer noch die rot-weißen Markierungen des GR65. I am lost!

Selbst der Held am Ortsrand kann mir nicht weiter helfen.

Blöder Weise habe ich die heutige Route (zum ersten Mal) nicht in mein Garmin eingegeben. So muß ich auf der D41 nach Beduer, wo auf den GR651 abzweige.

Entlang dem Celle geht es nun Corn. Ich bin überrascht von der starken Strömung des Flußes.

Relativ mühelos erreiche ich den ort. Ich merke allerdings schon, dass ich lange nicht mehr über fünfzehn Kilometer unterwegs war.

Corn ist ein Kaff. Die Zeit scheint stehen geblieben.

Aber bestens geeignet für eine ruhige Nacht im Campingbus.