Von Landshut bis Neumarkt St.Veit

Am Montag ist Abmarsch um 05:30 Uhr in Kumhausen. Ohne Frühstück fahre ich mit dem Taxi von der Innenstadt in den Landshuter Stadtteil, wo sich in der Ausfahrt nach Geisenhausen die Wallfahrer für den vierten Tag aufstellen. Gegen 18:30 Uhr soll dieser in Neumarkt St.Veit enden.

Download GPX

Der Hunger treibt mich bereits während der Kommunion in Geisenhausen aus der Kirche in das nächste Wirtshaus. Damit ahme ich die Spezialisten nach, denen es immer wieder gelingt an der Toilette niemals anstehen zu müssen, stets freie Auswahl bei den Plätzen in der Gaststube zu haben und immer als erste zu ihrer Brotzeit zu kommen.

Eigentlich wollte ich Saures Lüngerl. Nach Blick in den Kochtopf entscheide ich mich dann doch für drei Weißwürste mit zwei Brezeln. Ein isotonisches Weißbier soll den Mineralhaushalt in meinen Körperzellen stabilisieren. Da ich dann immer noch nicht satt bin, eile ich in das gegenüber liegende Cafe zum Verzehr einer Quarktasche. Und das alles gegen halb neun morgens.

Über die von den Eiszeitgletschern aufgeschütteten Hügel führt dann der Weg bei strahlendem Sonnenschein zur Mariahilfkirche in Vilsbiburg. Dort geht der ernährungsphysiologische Wahnsinn weiter mit zwei Steaksemmel: einige Stunden warm gehalten und zäh wie Leder. Meinen Appetit stört das nicht.

Die anschließende Andacht will ich eigentlich ausfallen lassen und für ein Mittagsschläfchen nutzen. Das Wetter, das momentan nicht weiß, was es will, und die mahnenden Worte eines Mitpilger, dass ich hier nicht zum Wandern, sondern zum Beten sei, bringen mich dann doch unter das Dach der Kirche. Dort erlebe ich den unvergesslichen Urauftritt des während der vorhergehenden Pause gegründeten Pilgerchors: selig die, die guten Willens sind.

Das Wetter entscheidet sich für Sonnenschein. Und weiter geht es nach Egglkofen, wo der nächste kulinarische Leckerbissen in Form einer Leberkäsesemmel mit anschließendem Erdbeerkuchen wartet. Zum ersten Male bin ich heute satt.

Am Ende des Tages werden es immerhin wieder 35 km sein. Die Energiebilanz ist jedoch eindeutig: ich werde wiedereinmal mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht haben. Energietechnisch betrachtet ist Wallfahren ein ziemlich effektiver Prozess. In der Tat bestätigen auch meine Mitpilger, dass sie zunehmen.

Das letzte Teilstück führt dann immer auf der Bundesstrasse 299 zwischen entgegenkommenden und überholdenden 40t-LKWs nach Neumarkt. Gleichzeitig zwickt meine linke große Zehe: eine Blase ist geboren. Meine Fersen fühlen sich nach vier Tagen an wie durchgetreten. Ein Zustand, den man wirklich nur durch Beten ertragen kann.

Bei der abendlichen Kofferübergabe kurz vor Neumarkt schreibt das Kloakenproblem eine neue Episode. Die Männer sehen nach der Kaffeepause endlich die Gelegenheit sich zu erleichtern und streben wie üblich ohne Rücksicht auf Verluste aus, die Umwelt mit der chemischen Vorstufe von Dünger zu beglücken. Wie üblich können die Frauen in gebührend keuschen Sicherheitsabstand nur zuzuschauen.

Diesmal steigt aber eine hübsche,blonde Polizistin an der gleichen Stelle aus ihrem Begleitfahrzeug. Wahrscheinlich zur Lagesprechung! Gerade als sie zur Erhöhung ihrer Autorität ihre unbefleckt weiße Dienstmütze aufsetzt, wird sie der gegenüberstehenden Männer in eindeutiger Stellung gewahr. Trotz der schnellen Flucht in ihr Auto ist das rote Leuchten ihres unschuldigen Antlitzes noch in großer Entfernung zu erkennen.

Und der Vorbeter verbreitet sein Alleeeelujah über die Lautsprecher.

Ab dann gilt nur noch eins: ab ins Bett und schlafen, schlafen …