Von Sankt Peterzell bis Schmerikon

Sankt Peterzell/Schmerikon, Dienstag, 04.10.2011)

Am Dienstagmorgen breche ich von Sankt Peterzell über Wattwil nach Schmerikon auf. Dies ist das erste Mal, dass ich kein Zimmer für die Nacht habe. Mein Quartier wird das Nächstbeste nach 15 Kilometern sein. Am Ziel müde lange auf Bettsuche gehen zu müssen, wäre das Drittschlimmste.

Das Zweitschlimmste ist ein Hungerast. Dem vorzubeugen ist nach fünfhundert Metern beim Dorfladen schon Pause für ein zweites Frühstück angesagt. Das erste im Gasthof war gelinde gesagt nicht ausreichend.

Das Schlimmste wäre eine Blase. Momentan brauch ich mich darum nicht zu sorgen.

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Nach Sättigung verlasse ich Sankt Peterzell auf dem Ostschweizer-Jakobsweg an der ehemaligen Pilgerherberge Bädli.

Der folgende Anstieg zeigt sofort, dass der heutige Tag kein leichter wird. Nach einem letzten Blick zurück geht es in der Höhe auf und ab unter anderem auch durch mehrere Tobel. Freilich entschädigen jede Menge Eindrücke.

Der Abstieg nach Wattwil erfolgt in der direkten Falllinie auf vom Morgentau glitschigen Wiesen. Ich hasse abwärts gehen!

Bis auf Ali Baba gibt es keinen Grund länger in dem Ort zwischen zwei Eisenbahntunneln zu verweilen. Sofort beginnt der Aufstieg zur Iburg auf der gegenüberliegenden Seite, der jäh durch eine Sperre aufgrund von Renovierungsarbeiten unterbunden wird. Gott sei Dank waren die Höhenmeter nicht umsonst, denn der Jakobsweg über den Unteren und Oberen Laad führt auf der anderen Seite der Ruine auf gleicher Ebene weiter.

Ein Plakat wirbt für Schlafen im Stroh. Leider noch etwas zu früh! Ansonsten hätte ich das glatt mal ausprobiert. Von weitem sieht der Bauernhof ganz einladend aus. Hätte ich bloß gewusst, dass sich bis zum Züricher See keine Alternative mehr auftut!

Immer noch geht es bergauf bis dann eine kleine Hütte mit Klimaanlage völlig unerwartet zur Selbstbedienung einlädt. Im Kühlschrank findet sich eine große Auswahl von Getränken. Auch Eiskrem wird angeboten. Insbesondere befindet sich dort auch ein leeres Gurkenglas, das als Kässli bezeichnet wird, zur Aufnahme des monetären Gegenwertes, den zu bestimmen, der Betreiber dem Käufer überlässt: Ich orientiere mich an den Preisen des Ali Baba von Wattwill.

Die Hütte steht an einem Ort mit den vielversprechenden Namen Heid. Sie markiert den höchsten Punkt des Landübergangs zwischen Thurtal und Linthgebiet. Der Blick ins Tal ist einmalig. Ich mache eine ausgedehnte Pause.

Der Abstieg von der Heid führt durch einen Truppenübungsplatz der schweizerischen Armee. Rekruten sitzen in einer Wiese beim Waffendrill. Gelegentliche Gewehrsalven durchdringen die Stille. In der Schweiz fällt es keinem ein, die Wehrpflicht abzuschaffen.

Lang zieht sich nun der Weg zum Züricher See. Nirgendwo eine Gelegenheit zu übernachten! Ich werde das nun doch durchziehen!

Bis der Blick auf den See von Goldberg über Schmerikron freigegeben wird, erfolgt ein dreidimensionaler Slalomlauf mit Über- und Unterquerungen von Autobahnen und Talbrücken unter entsprechender Geräuschkulisse.

Beim kurzen, aber schmerzvollen Abstieg beschließe ich für morgen einen Ruhetag, den das Hotel Seehof Gott sei Dank heute nicht hat.