Von Lauzerte bis Moissac

(Lauzerte/Moissac, Freitag, 08.06.2018)

Ich verlasse das hochgelegene romantische Lauzerte durch die engen Gassen nach Süden talabwärts mit Ziel Moissac immer wieder zurückblickend, denn die exponierte Lage präsentiert sich schon sehr eindrucksvoll. Ein Bißchen Wehmut ist bei diesen Abschieden immer dabei, denn wahrscheinlich ist es einer für immer. Den Anblick werde ich nur aus meinen Erinnerungen abrufen können, denn leider hat mein Handy nicht genügend Saft, noch Fotos zu machen.

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Obstbäume in der Talsohle erinnern mich daran, dass ich immer noch keine Kirschen gegessen habe. Es ist guter Brauch, mich zumindest dreimal im Jahr zur Reifezeit mit ihnen vollzuschlage. Gestern hatte ich beinahe eine Gelegenheit, aber der riesengroße Kirschhain war durch einen Elektrozaun gesichert. Auf der anderen Seite war das ganz gut, denn sonst wäre ich beim Leeren eines Baumes wahrscheinlich mit dem Besitzer aneinandergeraten, dessen Anwesenheit ich erst später feststellte. Mein Hirn projiziert seitdem immer wieder die roten Früchte vor meine Augen. Heute muss es sein!

Gestern haben wir nach der Ankunft auf dem Marktplatz in Lauzerte Bernadette und Konrad getroffen. Und bei einem schönen kühlen Bier empfahl sie, wenn ich mir etwas ganz stark wünsche, solle ich beten. Freilich in einem ganz anderem Zusammenhang. Nun frage ich mich, ob es nicht eine Lästerung ist, den lieben Gott wer, wo, wie, wann, was er auch sein mag, mit Kirschproblemen zu beschäftigen. Es ist schon merkwürdig, was einem so manchmal durch den Kopf geht.

Noch merkwürdiger ist es, dass ich nach vier bis fünf Kilometern auf dem Bergrücken angekommen um eine Ecke aus dem Wald trete und tatsächlich wieder ein großer Kirschhain vor mir liegt. Soll ich versucht werden, von verbotenen Früchten zu essen?

Nein! Denn noch merkwürdiger ist, dass unter einer schattigen Eiche am Rande gerade jetzt ein Tisch mit Kisten voller geernteter Früchten aufgestellt ist. Ein Schild fordert zur Selbstbedienung auf, was ich natürlich tue. Freilich steht auch eine Kasse für eine Spende da, die ich gerne in Höhe der Marktpreise von Cahors gebe. So muss ich nicht einmal zum Sünder werden.

Kurz vor Durfort fliegt dann eine Mirage im Tiefstflug über meinen Kopf. Vor den Dingern habe ich keine Angst und sehe keine Bedrohung, sondern schätze mich glücklich, diese Maschine aus der Entfernung eines Steinwurfs in dieser Fluglage direkt über mir zu sehen.

Nach Auffüllen der Trinkvorräte geht es strammen Schrittes weiter. Ein paar Kollegen wollen sich glatt ein Rennen liefern. Schon irgendwie lustig, wenn fünf Übersechzigjährige wie kleine Kinder um die Wette gehen. Diese enden in der Regel durch taktische Vortäuschung von Toilettenbesuchen bei Eintreten von Müdigkeit. Ich musste nicht.

Ein paar Kilometer auf dem Höhenrücken vor Moissac entscheidet sich ein Hirnteil besonders langsam zu gehen, um die Ankunft intensiver zu genießen. Ein anderer Hirnteil empfindet das als ein Aufforderung zu schlafen: obwohl ich gehe, muss ich mich zwingen, die Augen offen zu halten. Langsam sinkt die Müdigkeit vom Kopf in die Füße. Erst der Anblick des Campingvans am Ortsrand erweckt mich aus der Lethargie.