Von Aumont-Aurac bis Nasbinals

(Aumont-Aurac/Nasbinals, Donnerstag, 22.06.2017)

Von Aumont-Aurac haben wir nicht viel mitbekommen. Nach der gestrigen Ankunft geht es gleich auf den etwas außerhalb gelegenen Campingplatz. Wie üblich ist Personal nur zu bestimmten Zeiten zum Kassieren anwesend. Zum Öffnen der Schranke soll hier eine Telefonnummer angerufen werden. Bei einem leichten Druck von  unten auf den Balken öffnet sie sich aber doch wie durch Geisterhand. Wir verzichten auf den Anruf und das folgende Sprachgewirr und fahren auf den Campingplatz. Wenn sich einer aufregt dann „Nichts verstehen!“. Aber es wird sich keiner aufregen, da in Frankreich alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist.

Während ich den Strom anschließe, fängt es zu schütten an. In wenigen Sekunden bin ich patschnass. Hagelkörner krachen auf das Dach. In wenigen Minuten steht der halbe Campingplatz unter Wasser. In leicht abgemilderter Form geht das einige Zeit so weiter. Platzregen im Campingvan ist sehr kurzweilig. Aber der Besuch in Aumont fällt flach.

Mittlerweile habe ich einen blauen linken Kleinzehennagel vom Druck beim Abwärtsgehen. Blaue Zehennägel sind für mich kein Problem. In den nächsten drei Monaten wird ein neuer den alten herausschieben, und an Weihnachten wird er vollständig  die Zehe zieren. Falls er nicht vorher wieder blau wird.

Bevor ich nach Nasbinals gehe, muss ich sie allerdings tapen, um den Nagel zu fixieren und unnötige Reizungen zu vermeiden.

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Ich lasse mich im Zentrum von Aumont absetzen und gehe los. Nach Unterquerung der A75 nur noch Ackerbau und Viehzucht! Später nur noch Viehzucht!

Kurz vor Lasbros steht mitten in einer Kreuzung eine Kapelle. Ich spendiere zwei Euro für eine Opferkerze und wünsche mir, dass alles so bleibt wie es ist.

Die Kombination  älterer Mann/jüngere Frau von gestern rastet schon in der einzigen Bar in Lasbros. Dahinter  werde ich bis Rieutort d’Aubrac  die nächsten Kilometer niemanden mehr sehen. Und auf der Hochebene kann man sehr, sehr weit sehen.

Aber nur Rinder und kreisende Greifvögel (noch keine Geier)! Generell sieht man auf dem Jakobsweg mehr Rindviecher als Menschen! Und auch viele Greifvögel!

Eau Potable soll es in Finieyols geben. Ich habe deshalb bewusst nur eine Flasche Wasser mitgenommen. Die zwei einladenden Bars sind geschlossen. Trinkwasser wird zwar zum Spülen des öffentlichen Stehklosetts verwendet. Der Brunnen ist aber trocken. Den entsprechenden Anschluss abzuklemmen, ist mir dann doch zu aufwendig. Ich brauche aber Wasser, und so muss ich das Eau Non Potable riskieren.

Ich komme immer höher. Die Hinkelsteine häufen sich. Abgetragene Gebirge und verwitterte Vulkane! Wie alt muss dieser Landstrich hier sein!

Von ganz oben ist dann doch schon Rieutort d’Aubrac am Horizont sichtbar. Dort sollte der Van auf einem Campingplatz stehen. Das verleiht neue Kräfte.

In Rieutort d’Aubrac ist zwar kein Campingplatz. Dafür aber eine schattige Raststelle mit Trinkwasser. Grund genug für einen Volksauflauf! Und wieder stellt sich die Frage: Wo kommen die plötzlich alle her?

Um die Ecke steht der Van. Die Fahrerin ist in einer lebhaften Unterhaltung mit einer Gruppe von Wanderern. Man kennt sich!

Da ist der Thomas und die Vroni aus Stamham, die Mittags immer Stunden schlafen, weil die Vroni mehr Kalorien verbraucht als sie zuführen kann. Da ist Jens, der Gourmet, der französische Speisekarten entziffern kann, von Hamburg nach Toulouse umgezogen ist, und von dessen Stiefeln sich die Sohlen gelöst haben.

Und sie sehen jetzt zum ersten Mal den sagenhaften Josef mit dem Campingbus und dem kleinen Rucksack, den noch keiner gesehen hat, aber von dem alle wissen, dass es ihn geben muss. Ein Mythos ist gebrochen!

Aller Illusionen beraubt ziehen sie bald weiter. Und ich folge ihnen weniger später frisch aufgetankt nach Nasbinals in einem wirklich flotten Schritt. Wenn’s läuft, dann läuft’s.

In Nasbinals gehe ich erst einmal zum Ankommen in die schöne Kirche der Heiligen Maria. Ein Bißchen Besinnung! Dann geht es hinter die Kirche in eine Bar, in der schon meine Gattin bei einer Tasse Kaffee sitzt. Ich trinke aber keinen Kaffee, sondern ein kühles Bier aus einer Art Pokal. Allein der erste Schluck ist die Anstrengungen des ganzen Tages wert.

Dann taucht aus heiterem Himmel Saundrine auf und gibt das versprochene Bier aus. Nur sie hat keine Zeit und muss noch irgendetwas erledigen. Die Schnittmenge der gemeinsamen Sprachkenntnisse erlaubt nicht mehr als einander Vorbeigeplappere.

Dann tauchen Thomas und Vroni auf, denen nun ich ein Bier ausgebe oder vielleicht auch zwei …

… dann wird es langsam dunkel, und wir gehen zu unseren Schlafplätzen.