Von Engetried nach Grönenbach

(Engetried/Grönenbach, Dienstag, 03.05.2011)

Gleich beim Weggehen in Engetried zeigen sich für den heutigen Dienstag zwei Trends. Der erste: die Steigungen werden länger, und es geht immer höher hinaus. Der zweite: der unterallgäuische Landwirt hat sein Gras eingefahren und beginnt, seine Güllevorräte auf die Wiesen zu schütten. Der damit verbundene aromatische Geruch dringt noch am Abend in meine Unterkunft in Bad Grönenbach.

Die Ausnahme ist Ottobeuren. Nicht nur geruchsmäßig! Die dortige Basilika ist schon eine atemberaubende Pracht.

Ich genieße für ein paar Stunden die Rückkehr in die Zivilisation. Auf einer Bank vor der Basilika schaue ich auf das Treiben auf den Marktplatz. Da fällt mir ein, dass ich meine Unterkunft noch buchen muss und hole mein Netbook aus dem Rucksack. Die staubigen Wanderstiefel, der große Strohhut auf dem verschwitzten Kopf, das Netbook mit UMTS-Stick auf dem Schoß, das GPS und die Digicam daneben auf der Bank stehen offensichtlich im Kontrast zu den Erwartungen der Passanten an einen Pilger. Für kurze Zeit drohe ich eine Touristenattraktion zu werden. Dabei hat das ganze einen rationalen Grund: meine Ausrüstung wiegt nicht mehr als Landkarten und ein dicker Reiseführer.

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Am Schluß gegen Grönenbach zu in einem eiszeitlichen Urstromtal wird die Luft feuchter. Unter den subtropischen Bedingungen fließt der Schweiß in Strömen. Zudem beginnt zum ersten Mal seit langer Zeit ausgerechnet jetzt eine Blase am rechten Fuß zu zwicken. Nur eine unglaublich tiefe Kiesgrube lenkt ab. Gott sei Dank bin ich nahe am Tagesziel.

Von Wörishofen bis Engetried

(Wörishofen/Engetried, Montag, 02.05.2011)

Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht im Hotel Garni La Maison führt der Weg am heutigen Montag durch den Wörishofener Kurpark über Dirlewang und Markt Rettenbach nach Engetried in das Gasthof zum Goldenen Kreuz.

Meinen Zimmerschlüssel wird der Wirt an einem geheimen Ort hinterlegen. Denn er wird bei meiner Ankunft nicht da sein. „Und zum Essen gibt’s halt nichts!“ legte er gleich mal schwäbisch freundlich bestimmt bei meiner telefonischen Anmeldung fest. Weil am Montag ist Ruhetag! Das ist nicht nur im Goldenen Kreuz so, sondern scheint die Regel in der dortigen, zu dem noch sehr raren Gastronomie zu sein. Allein der Metzgerei in Markt Rettenbach verdanke ich mein kulinarisches Überleben auf dieser Etappe.

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In Köngetried sehe ich nicht ein, dass ich der offiziellen Jakobsroute auf der Autostraße folgen soll, wenn es eine Alternative mit weniger Gefahr gibt. Als ich dabei ein Gehöft passiere, kommt der Besitzer, als ob er den ganzen Tag nur darauf wartet, aus seinem Haus gestürmt und weist mich fürsorglich und nachdrücklich daraufhin, dass ich mich verlaufen habe. Alle meine Erklärungsversuche scheitern. Erst als ich zugebe, ich wusste nicht, dass der Köngetrieder Kirchturm schief ist, nimmt unsere Diskussion ein versöhnliches Ende.

Ich ziehe weiter nach Mussenhausen zur Wallfahrtskirche „Unser lieben Frau vom Berge Karmel“. Dort gibt es zwar jede Menge Beichtstühle und im besten Theologendeutsch blumige Ausführungen des Augsburger Bischofes über die Gnade der Buße. Ein Wirtshaus neben der Kirche gibt es jedoch nicht. Das war bis jetzt eigentlich immer garantiert.

Bei meiner Ankunft in Engetried war der Wirt dann doch da. Und er hätte mir auch etwas zu essen gegeben. Aber leider war ich vorher schon in der Metzgerei.

Von Türkheim nach Wörishofen

(Türkheim/Wörishofen, Sonntag, 01.05.2011)

Schluß mit Tagespilgern! Endlich geht es richtig los! In dieser Woche von Bad Türkheim auf dem Rest des Augsburger und dann dem Münchener Jakobsweg bis nach Bregenz an den Bodensee.

Um mich an meinen neuen großen Rucksack zu gewöhnen und die Stadt von Pfarrer Kneipp in Ruhe besichtigen zu können, belasse ich es an diesem schönen Sonntag bei Bad Wörishofen.

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Vom letzten Etappenziel in Türkheim an der Uferstraße laufe ich an der Wertach entlang vorbei an schon gemähten Wiesen mit duftendem Heu zum Wörishofener Stausee. Der scheint noch nichts vom Frühling mitbekommen zu haben, der Segelbetrieb liegt in jedem Fall brach. Dafür steht der Raps in voller Blüte.

Zum Abschluss dann Kurbetrieb in Wörishofen mit überfüllten Cafes und sogar einem Kurkonzert. Und das alles dank eines Pfarrers!

Von Forsthofen bis Türkheim

(Bobingen/Türkheim, Sonntag, 03.04.2011)

Am Sonntagmorgen treffe ich zur Kurzetappe von Forsthofen über Ettringen nach Türkheim ein.

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In Kirch-Sienbach ist es bis auf vereinzeltes Vogelgetschwitzer ganz still. In Anbetracht der vielen Räder und Autos etwas überraschend. Vielleicht ist gerade Wandlung. Kurz danach hebt dann das Kirchenvolk tatsächlich zu einem inbrünstigen Kommet zu Hauf, Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hören an.

Lange schallt es im Tale in der Allee nach Sienbach noch. An der Wertach entlang erreicht man kurz vor Ettringen eine erschreckend große Papiermühle nach der man in die Ortschaft umgeleitet wird, um gleich wieder an den Fluss zurückzukehren. Das Auffallendste ist ein geschlossenes Cafe.

Unter den Schatten spendenden frisch austreibenden Bäumen erreiche ich dann Türkheim. Mit bemalten Ostereiern behängte Bäume bannen meinen Weg in das einladende Schlossgarten-Cafe zu einem Schnitzel Wiener Art mit Kartoffel-Gurken-Salat und abschließenden Apfelkuchen.

Von Bobingen bis Forsthofen

(Bobingen/Forsthofen, Samstag, 02.04.2011)

Alleine von Augsburg zurück mit dem Zug nach Bobingen an die gestrige Abbruchstelle! Meine Gattin muss(!?!) ihren Füßen eine Erholungsphase gönnen. Oder vielleicht geht(!?!) sie lieber in Augsburg shoppen! Auf jeden Fall wird sie mich in Forsthofen mit dem Auto abholen. Der Rücktransport von dort wäre ansonsten ein Problem.

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Von Bobingen-Siedlung geht es über einen steilen Hügel nach Straßberg. Bereits am frühen Morgen ist es schon so warm, dass ich meine Jacke im Rucksack verstaue. Am Ortsausgang verpasse ich dann einen Abzweig und versuche querfeldein auf den Jakobsweg zurückzukehren. Prompt lande ich in einem Dickicht aus Hecken, die sich um die Füße angeln. In ein paar Wochen wird ein Durchdringen unmöglich sein. Jetzt verhaken sich nur ein paar Dornen in der Kleidung. Schmerzhaft schafft es die ein oder andere sogar bis an die Haut oder zieht Fäden aus meinem T-Shirt. Bis zum Abend werde ich immer wieder ein pickendes Übel aus der Kleidung entfernen müssen.

Über Rainhardtshofen gelange ich zur kleinen aber feinen Justinakapelle. Vor der Säkularisation sollen hier einmal Eremiten gehaust haben. Der von ihnen benutzte Brunnen ist teilweise freigelegt. Über eine Jahrhunderte alte Mooreiche wird ein Bach geleitet und lässt die Wasserversorgung von Fischteichen im späten Mittelalter erahnen.

Mehrere Schutzhütten laden zur Rast ein. Die Sauberkeit ist bemerkenswert. Hier macht sich irgendwer uneigennützig viel Arbeit. Ich genieße die Mittagspause, trage mich in das ausliegende Besucherbuch ein. Ich bedanke mich für diesen schönen Ort. Es liegen sogar Kissen aus. Zur Not kann man sogar übernachten.

Während ich in Klimmach auf die Wallfahrtskirche zugehe, erlebe ich die liebste Beschäftigung der männlichen schwäbischen Landbewohner an Samstagnachmittagen nämlich Traktorwaschen mit Dampfstrahlern. Vom alten Kramer bis zum 350 PS High-Tech-Fendt wird hier alles geputzt. Natürlich wie früher meist bei laufendem Motor! Manches Dieselroß trägt das Kennzeichen SMÜ. Wahrscheinlich war Schwabmünchen einmal ein eigener Landkreis.

Hinter dem nächsten Hügel kommt Birkach, ursprünglich der Zielort des Abschnitts von Augsburg aus. Übernachtungsmöglichkeiten scheiden damit auf jeden Fall als Merkmal für Etappenorte aus.

Dann tun die Wegplaner wieder etwas für die körperliche Fitness. Ich gehe nicht direkt nach Konradshofen sondern über Hipoldsberg. Ich verbleibe dann auch nicht im Tal, sondern gehe in der Mittagshitze hoch nach Konradshofen. Ich spüre die ersten Anzeichen eines Sonnenbrandes auf der Stirn und im Nackenbereich. Auf dem Berg meint eine Frau: „Du musst einen Hut tragen!“ Ich sage nur: „Vor einer Woche habe ich noch gefroren!“ „Ja mei!“

Der Dorforganist belohnt mich in der kühlen Kirche gewollt oder ungewollt mit einem Exklusivkonzert. Ein erholsamer Aufenthalt!

Dann geht es wieder ins Tal. Der weibliche Teil der Ortsbevölkerung kehrt die Straßen vor ihren Höfen.

Und schon wieder erfolgt ein Anstieg zu den sogenannten Berghöfen. Ein Roter Milan kreist über mir. Nachdem mich schon einmal ein Bussard aus ähnlicher Höhe angegriffen hat, gilt ihm mein ganzes Augenmerk. Schön ist es sowieso, ihn beim Kreisen zuzuschauen. Er ist so nahe, dass ich mit meiner Kamera nach ihm werfen könnte. Bis ich jedoch tatsächlich soweit bin, selbst mit dieser eine vernünftige Aufnahme zu machen, dreht er ab.

In der Kapelle am oberen Teil des Anstiegs wird endlich einmal auch meinem vernachlässigten Namenvetter Josef gedacht. Im besten Mannesalter steht er neben der Maria da mit einer Stichsäge, gut aussehend und überhaupt nicht greis. Heiliger Geist aufgemerkt!

Den höchsten Punkt im Wald habe ich dann auch noch geschafft. Nach Forsthofen war es dann nur noch ein Katzensprung. Dort wurde ich herzlich empfangen und zur nächsten Eisdiele gebracht (Eisdiele ist in Schwabmünchen, nicht in Forsthofen).